NIGHT LIGHTS - Gerry Mulligan

von Rick Deckard  -  5. April 2017, 18:22  -  #Jazz

NIGHT LIGHTS - Gerry Mulligan

Wenn man Menschen fragt, welche Art Musik sie hören, kommt in den meisten Fällen als Antwort:"Alles mögliche." Ich finde diese Antwort sehr gut, da sie ebenso wie die Frage offen ist. Alles, was möglich ist, oder alles, was nach Möglichkeit zur Verfügung steht.

So weit, so gut.

Wenn man Menschen fragt, ob sie Jazz hören, so kommt in den meisten Fällen als Antwort "Ja", nach wenigen Sekunden häufig auch der Zusatz "... aber kein Free Jazz!" Auch diese Aussage finde ich sehr gut, weil zum einen diese Stilrichtung des Jazz bekannt ist und zum anderen ein klares Bekenntnis gemacht wird. Nachgefragt, was genau sie denn unter Free Jazz verstünden, beendet das Gespräch abrupt und man wird zum Vogt des Abends.

Ich verstehe sehr gut, dass der Jazz in vielen musikalischen Welten keine besondere Stellung einnimmt. Er selbst und auch seine mediale Verkörperung und Darstellung tragen Schuld an dieser Misere. Streng genommen liegt es an der Stigmatisierung dieser Musikrichtung. Anders als bei "Melodien für Millionen" wird aus dem Jazz eine Genre für ganz wenige, im schlimmsten Fall für Cordhosen tragende Rotweintrinker (auch die haben den Jazz zugrunde gerichtet).

Ich verstehe auch sehr gut, dass die dargebotene Musik im Jazz nicht der landläufigen Vorstellung von dem entspricht, was "man" unter Musik "zu verstehen hat". Die Kompositionen folgen nicht dem einfachen A-B-B-A Prinzip, Melodien und Harmonien sucht man vergebens und alles klingt im Grunde wie ein Gewusel, ein Potpourri aus Klängen. Das ist nicht erträglich, besser: unerträglich.

Alledem würde und möchte ich gerne dieses wunderbare Album von Gerry ("Jerry" ausgesprochen) Mulligan entgegensetzen. NIGHT LIGHTS ist eine Platte, deren Inhalt alle auf einen gemeinsamen Nenner vereinigt:

Hörbare, melodische, nachvollziehbare und schön klingende Musik.

Ein jeder von uns kennt das Klischee, aber auch den besonderen Moment am späten Abend, wenn man nicht weiß, was genau man mit seiner Zeit anfangen soll? 

Legen sie genau an diesem Punkt das im Jahr 1963 bei Philips erschienene Album auf. Legen sie die Füße hoch, verdunkeln sie ihr Zimmer, trinken sie, was immer sie möchten und schliessen Sie die Augen ... .

Gerry Mulligan (Saxophon), Art Farmer (Flügelhorn), Bob Brookmeyer (Posaune), Jim Hall (Gitarre), Bill Crow (Bass) und Dave Bailey (Schlagzeug) werden ihnen geschmeidig, ruhig und sehr ausgelassen zu Ohren bringen, wie Jazz auch klingen kann, dass er nicht anstrengend ist, durchaus leicht "konsumierbar", dass er wohlklingend und entspannend sein kann.

Sie haben hier die einmalige Möglichkeit allen Instrumenten bei mehrfachen Durchgängen zu lauschen, den Schwerpunkt beim Hören immer anders zu legen, der Musik zu folgen.

Wenn Sie nicht alles hören wollen, dann nur den ersten gleichnamigen Titel.

Doch Vorsicht! NIGHT LIGHTS ist ein Album ausschliesslich für die (sehr) späten Stunden am Abend.

Geniessen Sie!

Aus New York City

Rick Deckard

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