WESTWORLD (HBO) Staffel 1 - Jonathan Nolan und Lisa Joy
KEINE SPOILER.
Nach Beendigung der 1. Staffel verspürt man den innigen Wunsch Michael Crichton's Science Fiction-Klassiker "Westworld" mit Yul Brynner in der Titelrolle zu sehen. In der Jugend habe ich den Film unzählige Male gesehen, weil mich die Idee des Filmes fasziniert hat: Zu tun und zu lassen was man will, ohne dass Konsequenzen folgen.
Dieser faszinierenden Idee haben sich Jonathan Nolan und Lisa Joy angenommen und den Roman von Crichton für das Fernsehen adaptiert.
HBO und den Machern ist ein ganz großer Wurf gelungen.
WESTWORLD nutzt das Serienformat geschickt und vor allem klug aus, um der Geschichte und der Welt, die Crichton seinerzeit entwarf, einen Hintergrund zu verleihen. Die Autoren verlegen die Handlung in die Gegenwart.
Die 1. Staffel zeichnet sich durch einen hohen Anspruch aus. Die Dialoge haben eine sehr gute Qualität und regen zum Nachdenken an. Bisweilen ist es schwer den Aussagen zwischen den Zeilen zu folgen, weil sehr interessante philosophische Fragen zur Existenz angesprochen werden. Das grosse Verdienst der Macher ist es, im Kopf des Zuschauers parallel zur Handlung eine zweite metaphorische Ebene zu erschaffen und ablaufen zu lassen. Das empfinde ich als grosse erzählerische Kunst.
Es ist weniger der Umstand, dass die Handlung eingebettet ist im Wilden Westen, mit allen Zutaten die das Genre kennt, vielmehr sind es die Fragen, die die Serie aufwirft im Zusammenhang mit der künstlichen Intelligenz, dem Bewusstsein, Erinnerungen und der Sinnhaftigkeit der (menschlichen) Existenz. Dadurch verlässt WESTWORLD eine rein unterhaltende Ebene und verleiht der Fernsehunterhaltung Sinnhaftigkeit. Man denkt über viele Themen nach, lange nachdem die einzelnen Folgen beendet sind.
Das serielle Erzählen wird bei WESTWORLD perfekt umgesetzt und famos vollendet zu Ende erzählt. Selbst bei Kenntnis der Methoden der Dramaturgie des Fernsehens und der Serie (oder auch des Kinos) wird man das ein oder andere Mal überrascht.
Es gibt ein wunderbares Zitat, welches vor kurzem meine Ohren erreichte und mich seitdem nicht losgelassen hat. Ein Cineast formulierte es wie folgt:
"Ich brauche es fett und hochprofessionell"
(S. 2016).
WESTWORLD deckt alles:
- Der Bedarf wird gedeckt ("Ich brauche...").
- Fett steht metaphorisch für Masse, Volumen, Gewicht(-igkeit), was die Serie zuhauf bereithält.
- Professionell ist die Serie uneingeschränkt. Wir wollen an dieser Stelle festhalten, dass Professionalität bereits "das höchste der Gefühle" darstellt. Eine Steigerung darüber hinaus ist nicht möglich. "Hochprofessionell" ist Utopie.
Die Charaktere sind sorgfältig ausgewählt und werden sehr gut im Laufe der Handlung geformt.
Mit Tony Hopkins in der Hauptrolle verfügt HBO über ein Schwergewicht, das die Serie schauspielerisch und im Niveau insgesamt deutlich über den Serien-Durchschnitt anzuheben weiß. Exzellente Leistung! Aber auch alle anderen Schauspieler beeindrucken mit ihrer Performance.
Jonathan Nolan und Lisa Joy entwerfen ein zutiefst pessimistisches, jedoch auch realistisches Bild vom Menschen. Ihre misanthropische Weltsicht weiß argumentativ durchaus zu überzeugen.
Meisterhafte Serienkunst, qualitativ hochwertige Produktion, ("hoch"-) professionell erzählt.
Rick Deckard