Dersu Uzala (1975) – Kurosawa Akira – Japanisches Kulturinstitut

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  17. Februar 2017, 10:26  -  #Filme

Dersu Uzala (1975) – Kurosawa Akira – Japanisches Kulturinstitut

Schaut man sich das sog. Arthouse-Kino an, wagt mal wieder das Neue bzw. wird vor der Leinwand mit dem Alten konfrontiert, lässt sich auf den meist verlangsamten, dehnenden Rhythmus der alten Filmmeister ein, muss man sich erstmal wieder zurecht finden, umdenken und sich  selbst von seinem modernen fragmentierten Blick und der Ahnung vom modernen Kino trennen. Es gilt andere Kommunikationscodes zu entschlüsseln und das Kino unter dem Verlust existierender visueller und Mitteilungselementen zu vergessen.

Nach einem depressiven Tief Anfang der 1970ziger Jahre erhielt der japanische Regisseur Akira Kurosawa von der russischen Filmfirma MOSFILM den Auftrag, die Aufzeichnungen des russischen Forschungsreisenden Vladimir Arseniev zu verfilmen. Abgelegen in der Tundra, begab sich der Filmemacher selbst auf eine Reise und verfilmte den russischen Besteller, der die Männerfreundschaft zwischen dem Hauptmann Arseniev (Yuri Solomin) und dem nomadisch lebenden Dersu Uzala (Maxim Munzuk) erzählt.

Im schönsten 70mm-Format, ausschließlich mit russischen Darstellern und mit größter Authentizität, drehte der Japaner einen überraschend ruhigen, bestechenden Film über ein Clash der Kultur, über die Zerstörung der Natur und über die Beziehung zweier Männer aus unterschiedlichen Welten, die den Zuschauer zu Tränen rührt, aber eben auch fordert.

Obwohl der Film keine Actionszenen enthält entspricht das Setting nach dem ersten Eindruck einem klassischen Abenteuerfilm, einige Stunden nach dem das Licht im Kinosaal des Japanischen Kulturinstitutes wieder angeht, denke ich an andere Mitteilungselemente und ich denke über das japanische Kino nach, welches ich viel zu wenig kenne.

Zunächst einmal wundere ich mich über die merkwürdigen Tempowechsel und Schnittfolgen die Kurosawa in dem Film verwendet hat, verstehe dann aber, dass das langsame bedächtige Tempo dem Einklang der Natur angepasst ist und die spätere fast schnoddrig heruntergedrehten Sequenzen in der Stadt, die Bedeutungslosigkeit des Menschen und des Lebens, welches wir führen, zuzuschreiben ist.

Kurosawa der selbst ein sehr trauriger Mensch war, sagte einmal das er in seinen Filmen versucht eine tiefe Trauer ausdrücken zu wollen, die nur ein göttliches Wesen empfinden kann: „…darüber, wie die Menschen sich gegenseitig zerstören, und über die Machtlosigkeit, das Verhalten der Menschen zu beeinflussen!“.

Dem japanischen Regisseur gelingt in dieser meisterlichen Parabel etwas einzigartiges: Es bezieht das Publikum mit ein. Der Film verlangt vom Zuschauer förmlich eine unendliche Aufmerksamkeit, was nicht’s mit  dem verfolgen der Handlung zu tun hat, sondern damit, dass man sich mit den vereinzelten Höhepunkten des Filmes nachhaltig auseinander setzt, um das große Ganze zu erschließen. Was dann diesen  Streifen, für immer unvergesslichen machen wird.

Da ist zum Beispiel der furiose Schneesturm, der langsam anfängt und später wütet. Unsere beiden Freunde sind alleine in der Taiga, haben sich verlaufen. Die einzige Rettung die bleibt, sind ein paar größere Strohhalme, die unter größtem Körpereinsatz zusammengesucht werden müssen, um sich schnell einen Unterschlupf zu bauen. Der schnell ermüdete Hauptmann wäre gestorben, wenn der Nomade Dersu nicht diesen unglaublichen Überlebenswillen und Einfallsreichtum gehabt hätte. Die Kamera nimmt dabei übrigens immer den Weg über das Publikum. Einzelne Bilder wirken wie Szenenphotos, wie Ansichten! Hinzu kommen seltsam dekolorierte Farben. Bei den man allerdings nicht weiß, ob das an der schlechten Kopie des Filmes oder am Projektors liegt oder an der Idee des Meisters. Ein Aderlass!

Gewollt waren sicherlich die surrealistischen roten Einfärbungen bei dem Angriff des Tigers, der nicht nur einen weiteren dramatischen Höhepunkt des Filmes darstellt, sondern auch den Wendepunkt im Leben des Dersu Uzala. Nach fast 100 Minuten wahrhaftigen Dramas, wirken diese Bilder tatsächlich wie ein Schock.

Dersu Uzala (1975) – Kurosawa Akira – Japanisches Kulturinstitut

Das visuelle Highlight des Filmes aber schließlich, ist die Doppelsonne aus STAR WARS mit Mond und Sonne hinter der Steppe und unseren beiden Freunden im Vordergrund bei einem sensationellen Monolog des Nomaden.

George Lucas war ein großer Fan von Kurosawa. Später hat er ihn häufig finanziell unterstützt. Die beiden, verbindet auch mit Coppola und Spielberg, eine große Freundschaft. Bekannter Weise ist STAR WARS 1977 erschienen. Es bleibt also anzunehmen, dass Lucas, mit diesem berühmten Bild, den Film DERSU UZALA zitiert.

Wie auch immer solche Filmsequenzen sind der Grund, warum wir uns dem Kino verschrieben haben. Es ist und bleibt nichts Lehrbares, um mit Zen zu sprechen. Das ist mir gestern wieder einmal bewusst geworden.

Entweder man ist Wach und schaut mit ständiger Aufmerksamkeit in die Welt oder man hat sich hingelegt und wartet auf eine unerwartete Störung.

DERSU UZALA ist ein sehr großer wichtiger Film. Ein Film der heute immer noch gezeigt werden muss und es ist ein Film, der eine inhaltliche Relevanz besitzt und uns westlichen Narzissten aufzeigt, dass das hysterisch in den Vordergrund schieben, nicht der richtige Weg ist!

Mein liebes Kind,
Ich bin die Bühne nur
und nicht das Drama,
Ich bin nicht wirklich die Gefahr

(Die Sterne)

Alan Lomax

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren: