WHIPLASH - Damien Chazelle

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  30. Dezember 2016, 15:43  -  #Filme

WHIPLASH - Damien Chazelle

Wissen Sie was Jazz und Fussball gemeinsam haben?

Es gibt keine guten Filme darüber! Beim Fussball fällt mir gerade noch die Nick Hornby Verfilmung FEVER PITCH ein, bei Jazzfilmen wird es etwas schwieriger, da es Beispiele gibt, die aber meist zu puristisch sind und sie somit den Zugang für Neuinteressierte, Nichteingeweihte verbieten oder sie sind zu offensichtlich stellen den symbolischen Akt des Jazz zu sehr in den Vordergrund und vergessen dabei worum es geht oder gehen könnte.

 

Clint Eastwood, zum Beispiel, für den neben dem Western, der Jazz die einzige authentische Kunstrichtung der Amerikaner darstellt, ist es einst gelungen BIRD zu drehen. Dem vielleicht einzigen nennenswerten Mainstream Kinofilm über den Jazz bzw. einen seiner Hauptprotagonisten Charlie Parker.

 

Nun ist ein Jazzmusiker natürlich immer nur so interessant wie die Beherrschung seines Instrumentes. Denn das besondere an einem Jazzmusiker ist das akademische, fast mathemathische Verständnis zu seiner Musik, die in Theorie und Praxis gelinde gesagt, komplexer ist als alle anderen Spielarten. Kommt dann noch ein Typ wie Parker dazu der eine art mythischen Helden darstellt und dessen Sound neue Konzepte in Form von Vielfalt und Energie verwaltete, ist das nicht topbar

 

Verstehen Sie mich nicht falsch, denn mir das wichtig, daher muss ich auch etwas umständlich erklären, warum WHIPLASH kein Film über Jazz ist. 

 

Und das geht am Besten, wenn man einen Film über Jazz, aber auch zur Liebe ans Kino, einen Film wie WHIPLASH gegenüberstellt, der dem Zuschauer zudem die Zeit lässt Musik zu zuhören, derTragödie des Charlie Parker und seiner Angst zu versagen nachspürt. Dem Publikum wird so etwas bleibendes zur Verfügung gestellt, was vielleicht eine Bestätigung seiner Leidenschaft ist, ein Türöffner für eine neuen Welt oder einfach nur gut unterhält und zum dem erklärt was Jazz ist und wie er funktioniert.

 

Der junge Filmregisseur und versuchte Jazzschlagzeuger Damien Chazelle hat keine Ahnung von Jazz. Denn er gehört zur sogenannten Jazzpolizei. Jazzpolizisten sind Menschen die den Jazz anders verstehen als Clint Eastwood, Rick Deckard und ich! Das sind Menschen die Takte mitzählen, wissen wer Hank Levy ist und die kunstfertige Bedienung eines Instrumentes als Sport, wenn nicht sogar als Wettbewerb sehen und nicht als wundervollen Dialog, fernab jeglicher Worte und kennbaren menschlichen Aktionen und Reaktionen, und einer musikalisch gelieferten Emotion die unsere Möglichkeit Worte dazu zu finden übersteigert.

 

Damien Chazelle erzählt die Geschichte des talentierten Schlagzeugers Anrew Neiman, der ein Konservatorium für Jazzmusik in New York besucht. Eines Tages entdeckt ihn der Leiter der Studioband, Terence Fletcher (grandios in Darstellung J.K. Simmons), der sich als Sadist herausstellt und seine Studenten mit „Zuckerbrot und Peitsche“ zu Höchleistungen anspornt.

 

Im Prinzip folgt Chazelle den Gesetzen eines Sportfilmes: Junger talentierter Sportler, lernt alten Hasen kennen, der sieht sein Talent, trainiert ihn bis zum Umfallen, es passieren ein paar kleinere Dramen und zum Schluß gibt es den Homerun, den Sprint oder das Match seines Lebens. Fletchers Finale findet auf der Bühne statt, wo er vor einem staunenden Publikum CARAVAN von DUKE ELLINGTON aufführt. Das Schlagzeugsolo ersetzt dabei die sportliche Bestleistung. Der Jazzmusik ist damit nicht geholfen. 

 

In einem beiläufigen Satz sagt Fletcher zu Andrew, dass die derzeitige Kuschelkultur niemals einen neuen Charlie Parker hervorbringen wird und das der Jazz deswegen stirbt.

 

Ich bin überrascht, dass der Film durchweg positive Kritiken bekommt, denn mit den oben aufgezählten Argumenten und diesem Satz von Fletcher, beweist Chazelle, dass er nicht viel verstanden hat und dem Jazzsterben zu dem mit seinem Film beiträgt.

Übrigens: Falls Ihnen das alles egal ist! Dann wünsche ich Ihnen 90 Minuten gute Unterhaltung. Denn das liefert der Film in sehr gutem Massstab. Er ist sehr gut gefilmt, ist spannend und macht bis zur letzten Sekunde Spaß. Was aber bleibt ist die verbleibende Chance Jazz für neue Interessenten zugänglich zu machen. Oder haben Sie inzwischen Don Ellis Album SOARING im Regal stehen? Sehen Sie! 

 

Vom Dirigentenpult

Alan „Fletcher“ Lomax

 

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