WEEK-END #6 KÖLN - Mein #1 - Teil II: ICH LIEF AUCH MAL SO RUM - WAR ICH AUCH HIP HOP?
Dean Blunt aka Babyfather.
Dieser Auftritt ließ am Ende mehr Fragen offen als gegebene Antworten.
1. Habe ich das alles verstanden?
Nein. Ich "verstehe" von Hip Hop rein gar nichts, weder musikhistorisch noch inhaltlich, noch formell. Ausser, dass es sich um eine Gattung der populären Musik handelt, weiß ich nichts darüber. Wenn ich lese, was Mr. Blunt mit seiner Musik bezweckt, dann sollte ich verstehen, worüber er singt, denn es hiess bei ihm stünde die Message im Vordergrund hinter reduzierten Beats. Meinetwegen. Aber worüber singt und erzählt er denn da? Um es für mich einschätzen zu können, muss ich seine Sprache verstehen. Leider habe ich bis auf das Wort "Nigga", dass gefühlte 100x fiel leider nicht verstehen können, worüber er sang. Das ist generell das Problem, das ich mit Hip Hop habe: Ich kann den sprachlichen Code nicht dechiffrieren. Wie es wohl den anderen Zuhörern ergangen ist? Wahrscheinlich haben die alles verstanden ... .
2. Steht dann Form "über" Inhalt?
Jein. Beides bedingt einander. Wenn man aber nicht versteht, worüber der Künstler da singt, dann bleibt einem nur übrig sich auf den Rhythmus und die Optik zu konzentrieren. Der Rhythmus enttäuschte (Erwartungen!) mich. Er war (nach meinem Verständnis dieser Musikrichtung) dermaßen reduziert, dass ich mich an den Begriff Avantgarde (vor der Garde laufend) erinnert fühlte. Die Optik nicht. Das empfand ich als originell, wenn auch beleidigend. Prof. Dr. Dean Blunt wurde hier akademisch und vernebelte im wahrsten Sinne des Wortes die Beziehung zwischen Publikum und Künstler. Was für ein Motherf.. .Wenn ich um diese Uhrzeit vor einer Bühne stehe und der Künstler haut mir eine musikalische Ohrfeige nach der nächsten um die Ohren, dann führt mich das zu der nächsten Frage:
3. Muss man ein Masochist sein, um so etwas zu mögen?
Ja und Nein. Wie wird Masochismus definiert? Laut Wikipedia: Ein Mensch, der Lust oder Befriedigung dadurch erlebt, dass ihm Schmerzen zugefügt werden und er gedemütigt wird. Das Pendant wäre dann Herr Babyvater auf der Bühne: Ein Sadist. Ich habe Schmerzen bei dieser Art Musik empfunden und ich fühlte mich gedemütigt. Aber deswegen bin ich kein Masochist. Ich zog mich nach einer Weile ganz an das Ende des Saales zurück, setzte mich auf einen Stuhl und beobachtete die Nebelschwaden. Die Beats erklangen wie in weiter Ferne. Ich fragte mich:
- Was hat die anderen fasziniert?
- Wieso haben sie all das über sich ergehen lassen?
- Ist es Kunst für sie?
- Ist es die Art Musik, die sie vielleicht sogar mögen?
- Ist ein ein Distiktionsgewinn zum Mainstream?
- Stand ich inmitten eines Haufen von Independent-Masos?
Musik ist für mich Ästhetik, also eine wahrnehmbare Schönheit, Harmonie in der Kunst, in der Musik. Ich denke Dean Blunt und ich haben unterschiedliche Ansichten hierüber. Zu gerne hätte ich ihn interviewt an diesem Abend, zu gerne.
Ist es hip, fühlt man sich hop, wenn man solche "Musik" hört?
4. Ich lief auch mal so 'rum - War ich Hip Hop?
Nein, definitiv. Dean Blunts Aufzug, seine Kleidung war unter Würdigung ästhetischer (!) Gesichtspunkte eine einzige Katastrophe: Eine schlecht geschnittene Jeans in Nabelhöhe getragen, ein schlecht aussehender und getragener Pullover, ein Lederblouson. Optisch ein Grauen inmitten im grauenhaften Nebel. Ein Affront gegen den guten Geschmack! Aber Blunt wird dafür gepriesen und gebucht und hochgelobt. Ich dagegen musste Beleidigungen und Schmähungen über mich ergehen lassen. Scheinbar ist Stil eine Frage der Zeit. Oder man macht ihn zeitlos, in dem man auf einer vernebelten Bühne steht, etwas singt, was kaum einer versteht und den Hip Hop ad absurdum treibt.
"Only God can judge me so I'm gone, either love me or leave me alone"
Jay-Z
Deckard, Rick