The Legend of Tarzan – David Yates
Komplizierte Sache! Liest man sich die Kritiken zu dem US-amerikanischen Film THE LEGEND OF TARZAN, der am 01. Juli 2016 in die Kinos kam, durch, so bekommt man den Eindruck, dass eine Hälfte der schreibenden Filmkritiker einer paranoiden Rassismusverschwörung auf der Spur sind und die andere Hälfte scheinbar vergessen hat, dass ein Abenteuerfilm immer noch zur Unterhaltung dient und nicht den Anspruch der Hochkultur erfüllen muss.
Da wird kritisiert, dass der Film Afrika aus einer kolonialen Perspektive zeige. Das der weiße Mann dem Schwarzen, sogar auf dem ureigenen Kontinent überlegen ist oder das die körperliche Darstellung von Alexander Skarsgard an Bo Derek erinnert oder unterstellt, dass eine stilistisch gesehen historisch verankerte Legende fatasiebehindernd ist (?).
Tarzan ist eine von Edgar Rice Burroughs erdachte Figur, die 1912 erstmals in einem All-Story Magazin erschien. Man braucht gar nicht viel Empathie um zu verstehen, wie diese Geschichte von dem kleinen Jungen der bei Affen im Dschungel aufwuchs, sich später in das Mädchen Jane verliebt und zum englischen Edelmann mutiert, die Menschen fasziniert haben muss.
Das ist damals reine Unterhaltung gewesen, die neben der großartigen Geschichte, ein viel geringeres moralisches Programm beinhaltete, als das zunächst romantische. Denn zu Beginn des Jahrhunderts liebten die Menschen in Europa Geschichten aus exotischen nie bereisten Ländern und Gegenden. Und sie hatten natürlich -bisweilen- amüsante Vorstellungen von den fremden Welten!
Und Burroughs war ein Erzähler von Trivialliteratur und kein Joseph Conrad der in der Lage war Völkerkunde mit gesellschaftlichen und menschlichen Hintergründen zu verbinden. Daher ist eine Geschichte wie die des legendären Offiziers Jim in dem Film LORD JIM (1965 Regie: Richard Brooks) jederzeit tiefgehender in der Psychologisierung der Hauptfigur, als es ein Tarzan es jemals beanspruchte.
Ich finde es ist nur fair, wenn man einer trivialen Pulpgeschichte wie Tarzan und einem gutgemeinten, vielleicht oberflächlich und dem Franchise zugeneigten Streifen aus dem Jahre 2016 unterstellt rassistisch zu sein, zumindest zu verstehen, dass die Realitätsflucht zu Beginn des 20. Jahrhunderts, eine andere war als die Wirklichkeitsflucht der Menschen zu Beginn des 21.Jahrhunderts die sich ehr als Ängste vorm Fremden definiert, als eine vorgeführte kindliche Neugierde.
Denn wer will sich denn heute schon lieber mit Tarzan identifizieren, als mit Lord Jim? Und hat der gute alte Burroughs damals, als er den tollen Einfall für die Story hatte, darüber nachgedacht, dass diese doch sehr kleine Geschichte tatsächlich über 100 x verfilmt werden sollte, finalisiert von Hollywood im Jahre 2016?
Nein, ganz bestimmt nicht! Einem ähnlich schlimmen Irrtum und einer gewissen Naivität unterlag einer der Ikonen dieses Blog und besten Zeichner aller Zeiten Hergé, dem wegen seiner als Fortsetzungsgeschichte in der Kinderbeilage LE PETIT VINGTIEME, erschienen TIM IM KONGO rassistische und gewaltverherrlichende Darstellung vorgeworfen wird, da er die afrikanischen Einheimischen als naiv, kindlich dargestellt hat und Tim mehrere Elefanten töten lässt um sich deren Elfenbein anzueignen. Die politische Diskussion ist interessanter Weise (noch immer wird gegen den CARLSEN Verlag geklagt) ähnlich wie die Kritik der Filmschreiber zu der aktuellen Warner Brothers Produktion, nur mit dem Unterschied, dass wir 2016 haben und Hergé zugegebener Weise naive Sicht auf den Kontinent etwas peinlich war, aber eben auch den Recherchestatus von 1930 hatte.
Afrika in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, die Kolonialzeit, merkwürdige politische Verstrickungen zwischen England und Belgien und dann diese Geschichte von dem Lord, der in den Dschungel zurückkehrt um ein ganzes Volk, sich selbst und seine Familie zu retten. Wie schwierig muss es sein, daraus einen tollen, abendunterhaltenden Film, völlig unpolitisch mit Anspruch, Komik, Rasanz, für die ganze Familie zu machen, um letztendlich auch noch die Rolle des doch recht dumpfen Greystoke zu einem Comichelden zu machen ohne ihn mit 10.000 körperlichen und heldenhaften Attributen zu versehen, um den dann noch eh völlig desinteressierten Publikum klar zu machen, dass der Film Afrika aus einer kolonialen Perspektive zeigt, obwohl dies die einzige ist, die der Film zu bieten hat? Armer David Yates nicht die leichteste Aufgabe!
Und dann kommt auch die FSK vorbei. Zumindest in Deutschland, die diesmal seltsamer Weise aber alles richtig darstellt und somit vom schlechtesten aller Kritiker zum Besten wird, was ich über den Film gelesen habe:
„…der Film sei zwar bild- und tongewaltig inszeniert und beinhalte zahlreiche dramatische Actionszenen sowie düstere Passagen, die Kinder unter 12 Jahren emotional überfordern könnten. Da der Film jedoch auf explizit ausgespielte Gewalt verzichte, immer wieder mit ruhigen, bisweilen humorvollen Szenen, Natur- und Tieraufnahmen für Entlastung sorge und eine klare Gut-Böse-Zeichnung mit dem Helden als durchweg starker und positiver Identifikationsfigur aufweise, können er bereits von 12-Jährigen verarbeitet werden. Das deutlich fiktionale Setting ermögliche zudem die Distanzierung, und das Risiko einer Ängstigung oder Desorientierung sei daher für diese Altersgruppe nicht zu befürchten.“
Nun ich bin wohl ein Renaissancemensch geworden, dass ich die spröden, verwaltungstechnische Sprache zu einem Film inzwischen angenehmer finde, als dieses endlose Geschreibe der professionellen Kollegen, die im Übrigen weniger objektiv sind, als sie sein sollten. Den nebenbei: Ich liebe das Kino und habe an einen Streifen wie LEGEND OF TARZAN gemeinsam mit der FSK folgenden Anspruch, den man am besten mit der Anfangssequenz beschreiben kann:
Wir sehen ein paar Soldaten, die von einem Geschäftsmann in weißer Safarikleidung durch die afrikanische Steppe zieht. Es wird neblig, dunkel. Die Männern stehen vor einem Schrein. Aus der Dunkelheit wird ein Sperr geworfen. Die Soldaten antworten mit Gewehrslaven. Man fühlt sich überlegen. Entert das voranliegende Areal und wird von tausenden Ureinwohnern umstellt. Es kommt zum Kampf. Der Geschäftsmann überlebt. Tritt in einen Dialog mit dem Anführer. Ein Deal wird ausgehandelt. Man tauscht Diamanten gegen Tarzan! Cut! Die Musik setzt ein: Dal Niente! Aus dem Nichts! Schwarzer Hintergrund, silberne Schrift! Decrescendo! LEGEND OF TARZAN! Cut! Wir sehen London zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte beginnt…Gänsehaut...
Was folgt liegt immer auf dem Level guter Unterhaltung und wird auch mit dem trashig brillantem Sidekick Samual L. Jackson niemals peinlich, einige Male etwas kitschig (was auch an der schlechten Wahl des Komponisten Rupert-Gregson-Williams) liegen könnte, den ich bisher nicht kannte, aber auch ein Alias von Hans Zimmer sein könnte, oftmals aber furios, insbesondere bei den atemberaubenden Sequenzen mit den CGI animierten Affen und allen Actionsequenzen daher kommt. Überhaupt sind es die Tiere die in diesem Film die moralischen, romantischen, unterhaltsamen und politisch korrekten Gewinner sind. Vielleicht wirkt der ehemalige Vampir Alexander Skarsgard manchmal mimisch überfordert, trumpft aber mit soliden Körperbau und leicht geheimnisvoller Art auf. Christoph Waltz und Marogt Robbies Rollen sind wiederum tatschlich zu stereotyp angelegt, als das sie überraschen könnten.
Man sollte sich den Film auf jeden Fall ansehen, wenn man das Kino liebt, weil der Film, neben einer wirklich guten Unterhaltungsebene viele Fragen über das Kino und die Zeitgeschichte aufwirft und einige wirklich tolle Sequenzen zu bieten hat, die bleiben werden.
An der Liane (sehr kleiner persönlicher Insiderwitz!)
Alan Lomax