Die Reifeprüfung - Mike Nichols

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  1. August 2016, 12:05  -  #Filme

Alan Lomax beim Schreiben!

Alan Lomax beim Schreiben!

Zwei Fragen stellen sich im Zusammenhang mit unserem Blog und dem Film von Anfang an: Warum haben wir bis dato keinen einzigen Mike Nichols Film besprochen? Und warum ist es nun ausgerechnet „Die Reifeprüfung“ von 1967?

 

Frage eins sollte man, trotz vorliegender eigener Ignoranz, positiv beantworten! Mit Mike Nichols können wir vielleicht den Beweis antreten, dass es sehr wohl Sinn macht, alte Filme, neu zu besprechen. Schließlich möchte man als Filmliebhaber, die alten Schätze aufrecht erhalten und das Kino bewahren. Eine erneute Sicht auf Filme, die man vielleicht mal vor, 10/20 Jahren hatte, ist subjektiv interessant. Aber googelt man Mike Nichols, bekommt man zwar jede Menge Fakten „in the Internet“ angeboten, aber kaum kluge Gedanken bzw. Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen oder künstlerischen (oder gar popkulturellen) Motiven. 

 

„Wer hat Angst vor Virgina Wolf?“, „Catch 22“, „In Sachen Henry“ und auch der tolle „Der Krieg des Charlie Wilson“ (2007), sind nur einige Filme aus der Filmografie des in Berlin geborenen  US-amerikanischen Regisseurs Mike Nichols, die man gesehen haben sollte.

 

In den letzten Tagen sind mir häufig und mehr oder weniger zufällig die Songs von Simon & Garfunkel begegnet. Meine Tochter hat vor einigen ihr Abitur bestanden. Handlung und Soundtrack sind also triftige Gründe gewesen, mir diesen Film noch einmal anzusehen:

 

Und es lohnt sich! Vielleicht kann man sogar weitergehen und im Vergleich der Filme der letzten 40 Jahre sagen, dass Nichols mit dieser Gesellschaftssatire ein Klassiker gelungen ist, der sicherlich zu den besten Filmen überhaupt gezählt werden muss.

 

Die Gründe dafür sind vielfältig und würden selbst bei einer banalen Auflistung die akzeptable Länge von diesem Eintrag sprengen. Interessenten solcher Auflistungen können aber gerne bei wikipedia nachlesen…

 

Beschränken wir uns also auf Innovation und Gültigkeit der Handlung: Da ist zum einen natürlich die Musik von Simon & Garfunkel die einen von Beginn an gnadenlos in die emotionale Enge zwingt. Und wer meint, dass das folkloristische, ruhige „Sound of Silence“ eine belanglose Nummer für melancholische Mädchen mit Hang zum Tee trinken ist, hat noch nie den sensationellen Mittelteil dieses Filmes gesehen, in dem unser Held Ben Braddock zum Mann gereift ist und ihn die ganze Härte und Abrechnung des erwachsenen Lebens trifft, zeitgleich Generationen von Musikliebhabern beweist, das Wut, Trauer, Liebe, Angst nicht unbedingt was mit progressiv lauter Musik zu tun haben muss, sondern auch mit intelligenter, komplexer Musik kompensiert werden kann. Diese Sicht wird ja häufig falsch verstanden, wenn es um „laute“ und „leise“ Musik geht. Denn fälschlicher Weise hat dieses Attribut nichts mit nur negativen oder nur positiven Gefühlen zu tun. Die Reifeprüfung war einer der ersten Filme, die Popmusik als wichtigstes Vehikel der Handlung einsetzte und auch deswegen für viele Menschen immer unvergesslich bleibt.

 

Kritiker haben dem Film von je her eine zu banale Geschichte und eine nicht vorhandenen Tiefenschärfe der Charaktere vorgeworfen! Ein interessanter Faktor, wenn man sich mit dem Hintergrund des Filmes und der Rezeption der Zeit beschäftigt.

 

Nichols hatte den Mut einen recht polarisierenden Film zu machen, der davon ausgeht, dass die Jugend aufgeklärt genug ist, zudem genügend Schmerzen durch den Druck der Eltern und gesellschaftlichen Zwänge der sechziger Jahre erfahren hat, als das man ihnen -der Zielgruppe des Filmes- die klar gezeichneten Figuren noch mehr erklären müsse. Nichols setzt dabei mit seinem Kameramann Robert Surtees lieber auf ungewöhnliche Perspektiven, die zum Teil komisch, zum Teil aber auch recht schmerzlich sind. Somit aber auch mit filmischen Mittel versteht mit moralischen Konvention der Zeit, trickreich aufzuräumen, um einen tatsächlich unangepassten, zeitweise komischen, aber allerseits popelementaren Film generiert zu haben.

 

„Every Generation got it’s Own Disease“ sang einmal eine Rockband aus Hannover richtig! …und jede Generation hat seinen eigenen Popfilm! Die Reifeprüfung überlebt aber deswegen über Generation, weil sich die Gesellschaft und die Zeit in der wir leben zwar (na klar!) geändert hat, aber nicht die Schmerzen, Ängste, Wünsche, Unsicherheiten und Vorstellung junger Menschen!

 

Erwachsene vergessen sowas oft! Deswegen gibt es Filme, Literatur, Kunst, Musik, um sich zu erinnern und um mal wieder zu verstehen, dass es sehr wohl sinnvoll ist, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen um das Leben zu verstehen. Auch wenn man „nur“ durch ein Aquarium oder eine Taucherbrille schaut.

 

Auf einer Luftmatratze im Pool!

 

Alan Lomax

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