Hotels - Der Kunde als Nummer im Zeitalter der Globalisierung

von Rick Deckard  -  6. Juli 2016, 13:14  -  #Kommunikation

Hotels - Der Kunde als Nummer im Zeitalter der Globalisierung

Ein typischer Tag im Leben eines "Handlungsreisenden":

Erschöpft vom Arbeitsalltag und dem Reisen endlich Ankunft im Hotel. Die Übernachtung in der Fremde ist gesichert. Glasschiebetüren weichen zur Seite, die Hotel-Lobby kommt in Sichtweite. Ein oder mehrere Mitarbeiter stehen hinter einem Tresen und der Blick ist (streng) auf den Monitor gerichtet. Er erhebt sich und man wird zur Kenntnis genommen. Die Mimik gleicht in den meisten Fällen dem Biss in eine Zitrone, verfremdet zu einem aufgezwungenen Lächeln. Es folgt die übliche Begrüssungsfloskel. Nachdem man mitgeteilt hat, wer man ist und warum man hier sei, folgt wieder der Blick auf den Monitor. Nickend wird die Reservierung bestätigt. Als nächstes folgt der Bogen zur Kenntnisnahme der Daten und Bestätigung des Aufenthaltes. Es folgt der Griff zur Plastikkarte, die entsprechend kodiert wird und die Benennung der Zimmernummer. Abschliessend erneut eine Floskel. Und schon hat man das Einchecken überstanden.

Diesem Ablauf bin übrigens nicht nur ich so begegnet. Vor einiger Zeit hörte ich die Moderatorin Barbara Schöneberger das Gleiche sagen bei der NDR Talkshow mit einem ihrer Gäste. Andere scheinen also die gleichen Erfahrungen zu machen.

Wenn etwas besonderes alltäglich wird, verliert es seinen Reiz, seine Bedeutung und seinen Wert.

Hotels waren für mich schon immer etwas besonderes: Diese ganz bestimmte Atmosphäre, die gediegene Stimmung, die Ankunft in einer fremden Stadt, die Freiheit, die Anonymität. Wohlgemerkt: Waren. Im Zeitalter der Globalisierung, der immer stärker werdenden Verdichtung von Raum und Zeit, auch bedingt durch das Internet und die Möglichkeiten des schnellen (und billigen) Reisens sind Hotels zur Massenware verkommen. Ich spreche hier von den Mittelklasse -und den Hotels der gehobenen Klasse, die Luxus-Hotels sind hiervon ausgenommen.

Die Ankunft, der Aufenthalt und die Abreise gleicht in den allermeisten Fällen einem Viehtrieb. Einer nach dem anderen wird durchgeschleust während die Kassen klingeln. Als Kunde ist man nur noch eine Nummer im Zeitalter der Beschleunigung, des globalen Zusammenwachsens der Märkte.

Natürlich ist das Ergebnis eines Hotelaufenthaltes (wie stets) auch eine Frage der Erwartung. Was will man? Was will der Geschäftsreisende, was der Tourist, was der Gelegenheitsurlauber? Gemessen daran fällt auch immer das Ergebnis, die Bewertung im Hinblick auf die Zufriedenheit am Ende des Aufenthaltes aus.

Hier gibt es keine Kritik, denn der Aufenthalt ist komfortabel, die Zimmer ausreichend gross, die Ausstattung zweckdienlich, die Sauberkeit stets gut. Bis auf eine leidige Ausnahme: Mehr und mehr Hotels tendieren dazu, die Minibars aus den Zimmern zu entfernen, aus Kosten- und Umweltgründen (was sonst, wobei die Hersteller dem rechnerisch widersprechen). Das ist schade, weil dieser kleine Kühlschrank einem ein gewisses Maß an Freiheit garantierte: Das zu trinken was man will, wann man will, ohne das Zimmer verlassen zu müssen. Immer häufiger muss man den Weg in die Lobby suchen um dort seine Drinks an einem Automaten einzukaufen oder an die Bar gehen, was durchaus auch seinen Reiz haben kann, aber an einem normalen Arbeitstag, so geht es mir zumindest, will man seine Ruhe habe und diese geniessen.

Was an Erwartung aber nicht erfüllt wird und das zieht sich quer durch die Republik von niederpreisigen bis zum Teil zu hochpreisigen Segmenten: Der Service und die Freundlichkeit des Personals. Selbst dann, wenn man mehrmals das gleiche Hotel besucht oder besucht hat!

Ich will aber gleich an dieser Stelle dem oft gescholtenen Personal (siehe diverse Bewertungsportale im Internet, die meisten fallen übrigens "positiv" aus), keine Schuld in die Schuhe schieben, das wäre zu einfach. Ich komme auf die Kehrseite der Medaille später zurück.

Service in der Gastronomie, im Hotelwesen ist zuvorderst eine Frage der Motivation. Psychologen sprechen bei Unternehmen und deren Mitarbeitern von der Internalisierung der dem Unternehmen zugrunde liegenden Geschäftsidee. Konkret für das Hotel: Mehr Gäste, mehr Belegung, mehr Umsatz. Nachvollziehbar (aus Sicht der Unternehmensführung).

Der Mitarbeiter aber denkt sich vermutlich: Warum soll ich wieder und wieder freundlich sein, lächeln und dem Kunden einen imaginären roten Teppich ausbreiten? Ich partizipiere (pekuniär) sowieso nicht am Erfolg des Unternehmens, egal wie freundlich ich bin, also kann es mir egal sein. Ich reiße meine Schicht ab und gehe nach Hause. Dienst nach Vorschrift.

Genau das aber schlägt sich beim ersten Kontakt auf mich als Kunden nieder: Man hat so gut wie nie das Gefühl in der Fremde in einem fremden Haus wirklich willkommen zu sein. Was bedeutet in diesem Zusammenhang "wirklich"?

Der Duden sagt dazu: Den Vorstellungen, die mit etwas verbunden werden, genau entsprechend; im eigentlichen Sinne.

Scheinbar driften die Vorstellungen des Kunden und eines Unternehmens weit auseinander. Aber auf der anderen Seite: Wie soll man so vielen unterschiedliche Vorstellungen begegnen? Doch ist nicht gerade das die Kunst?

Das Gefühl, welches sich breit macht, das was man glaubt zu sehen und zu hören ist: Gib schon deine EC Karte/ Kreditkarte her, nerv mich nicht weiter, nimm Deinen Koffer und geh aufs Zimmer!

Der Kunde als notwendiges Übel, aber auf keinen Fall K ö n i g.

Auf der anderen Seite: Die meisten Menschen, die über das Jahr genommen durchschnittlich im Hotel verkehren und dort übernachten sind vermutlich überwiegend Geschäftsleute. Die sind gestresst vom Erfolgsdruck, vom beruflichen Alltag und sind widerwillig in der Ferne. Also wollen die vermutlich auch "keine" Freundlichkeit, kein Wort zuviel, dem Grunde nach eine Ökonomisierung der Begegnung.

Die Frage lautet dann aber: Was bedingt was? Oder anders formuliert: Führt die professionelle Unfreundlichkeit des Personals zum Verhalten des Kunden oder ist diese Ökonomie der gewollten nüchternen Begegnung Ursache für das Verhalten des Personals?

Ein anderes klassisches Beispiel:

Der Morgen danach. Frühstück. Büffet. Grosser Raum. Mehrere Angestellte, die beflissen benutztes Personal wegräumen, manchmal auch, wenn man gerade den letzten Bissen zu sich genommen hat. Im Hintergrund gelegentlich enervierende Musik. Mal ehrlich: Wer frühstückt zuhause mit Musik im Hintergrund? Was auffällig ist, ist dass selbst zu dieser Zeit des Tages, an dem man seinen (Arbeits-)tag beginnt, kaum einmal ein freundliches LÄCHELN über die Gesichter des Personals huscht. Lediglich die Frage, ob man Kaffee möchte, wenn nicht ein Automat im Raum steht, quält sich über die Lippen. Ob man gut geschlafen hat, interessiert längst niemanden mehr. Warum auch? Zuhause schläft man eh am besten.

"Lachen verhallt, Lächeln bleibt." (Manfred Hinrich).

Aber auch hier gilt es die Gegenseite zu betrachten: Die meisten Menschen wollen vermutlich morgens gar nicht angesprochen werden. Mir ergeht das anders. Gelegentlich buche ich auch höherpreisige Hotels. Da ist das Verhalten der Mitarbeiter, egal ob morgens beim Frühstück, abends beim Essen oder an der Bar ganz anders. Das Lächeln wirkt nicht aufgesetzt, ebensowenig die Frage wie es einem geht und ob man einen guten Tag verlebt oder auch gut geschlafen hat. Die Anteilnahme des Personals wirkt (!) nie gekünstelt. Wer das einmal erlebt hat, versteht vielleicht was ich meine: Es gibt einem für den Moment das Gefühl des Erhabenen, für einen kurzen Augenblick des Tages getragen, akzeptiert, in der Fremde gewollt zu werden. Gleichsam ändern sich Gefühle, Einstellungen und die Laune.

In der Kürze: Ein gutes Gefühl. Man ist als Gast willkommen.

Liegt es also doch an der Anerkennung der Tätigkeit, der Bezahlung, der Würdigung des Fleisses für das Unternehmen? Es scheint so.

Unter "Service" versteht man eine Dienstleistung, also die von einer Person in einem Zeitrahmen erbrachte Leistung zur Deckung eines Bedarfs.

Interessante Definition!

Was mich dann in diesem Zusammenhang wundert ist die Tatsache, dass auf den meisten Internetportalen nach einem Aufenthalt dieser in verschiedenen Kategorien bewertet werden kann, doch nach dem wirklichen Bedürfnis fragt niemand.

Vielleicht würde sich das ändern, würden die Hotels entsprechende Umfragen machen, ich weiss es nicht.

Im Zeitalter der Globalisierung, der Verdichtung von Innovationen, der Beschleinigung haben "die Hotels" in punkto Freundlichkeit und Service deutlich an Federn gelassen. Der Aufenthalt in einem Hotel im Zeitalter der Moderne hat einen mehr und mehr industriellen Charakter, wirkt mechanisch und unpersönlich.

Sie werden jetzt vermutlich begegnen: Du hast doch die Wahl, Dich anders zu entscheiden! Hat man aber nicht. Das ist die Crux. Diese Optionenvielfalt ist nur scheinbar. Sehen sie sich in den Weiten des Netzes einmal um. Und: Natürlich kann man seinen Aufenthalt den Bedürfnissen anpassen, nur häufig ist es dann so, dass diese Häuser eben nicht in der Nähe des Zentrums, in der Nähe des Bahnhofs, in der Nähe der Sehenswürdigkeiten, in der Nähe von Verwaltungen etc. liegen ... .

Time is cash. Das wissen die Anbieter auch.

Rick Deckard

 

Der Sinn in den Gebräuchen der Gastfreundschaft ist: das feindliche im Fremden zu lähmen.

Friedrich Wilhelm Nietzsche 
(1844 - 1900), deutscher Philosoph, Essayist, Lyriker und Schriftsteller

Quelle: Nietzsche, Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile, 1881

 

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren: