"Generation Kopf unten" - Die Smombies
Eine faszinierende Generation.
Unsere Vorfahren richteten den Blick nach oben und deuteten die vielen Sterne als Nadelstiche im Himmelszelt. Fasziniert richteten sie ihren Blick in den Sternenhimmel, in den Himmel, aber auch nach vorne, hinten, zur Seite und nach unten (notgedrungen, sonst hätten sie nicht überlebt) und nur zum Zweck der Nahrungsaufnahme, der Materialverarbeitung oder der Fährtensuche war ihr Blick nach unten gerichtet. Interessant war im Zusammenhang mit dem Blick nach unten seine Notwendigkeit, er hatte einen Zweck zu erfüllen und der Zweck trug brauchbare Konsequenzen mit sich.
Tausende von Jahren später. Erstaunlich, wie einige wenige Menschen es geschafft haben, ihre Millionen von Mitmenschen dazu zu bewegen, einen wichtigen Teil ihres Körpers mit den darin enthaltenen Milliarden von Neuronen "ständig" nach unten zu richten. Das beeindruckt mich zutiefst. Faszinierend, wie Menschen mit Spielzeugen beeinflussbar sind.
"Kognitiv-emotional starren wir den ganzen Tag auf Bildschirme."
Hartmut Rosa
Von Berufs wegen bin ich viel unterwegs und habe die Möglichkeit an öffentlichen Plätzen, Bahnhöfen, Hotels, Cafes etc. zu beobachten. Das Bild welches sich mir dabei bietet, ist beeindruckend: Insbesondere die junge Generation ist fast unetwegt dabei mit einem oder zwei Fingern über die Bildschirme ihrer Smartphones zu scrollen, einen Text einzugeben oder Bilder anzusehen. Das erstaunliche hierbei: Kaum einer telefoniert. Das, wozu das Gerät erfunden wurde, wird dazu kaum noch genutzt. Das widerum stellt sich eine Generation weiter anders dar. Diese Menschen HÖRT man, wie sie, vollkommen unbeeindruckt davon wo sie sich gerade aufhalten und wie viele Menschen sie umgeben, priavte und/ oder geschäftliche Gespräche führen.
Ich stelle mir folgende Fragen, wenn ich Smombies sehe:
- Welche Informationen verschicken sie, mit welchem Inhalt und an wen?
- Warum tun sie das gerade jetzt?
- Was ist so wichtig an der Information, dass sie versendet werden muss und nicht warten kann?
- Wie sind sie in der Lage eine so grosse Fülle an eingehenden Daten zu verarbeiten?
- Wie unterscheiden sie zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen?
- Haben sie am Tagesende Kopf- oder Nackenschmerzen?
- Machen sich die Smombies Gedanken darüber, was sie in der Zeit, in der sie auf ihre Geräte starren und mit ihnen hantieren noch hätten machen können?
- Ist Ihnen bewusst, wie wertvoll Zeit ist?
- Welche Konsequenzen hat ihr Handeln für sie und was würde passieren, wie würden sie sich fühlen, wenn sie ganz auf ihr Gerät verzichten müssten?
- Haben die Smombies, wenn sie denjenigen begegnen, an die sie die Nachrichten, Fotos und Sprachnachrichten versendet haben überhaupt noch etwas zu erzählen, oder starren sie dann gemeinsam auf die gegenseitigen Geräte?
Ich würde gerne ein "Interview mit einem Smombie" führen.
Ich denke, dass die "Generation Kopf unten" mit ihren Geräten aufgewachsen ist und eine andere Form der Kommunikation nicht kennt oder nur am Rande. Kommunikation, zweifelsohne hat sich die Art wie wir Menschen miteinander kommunizieren geändert, bedeutete zu meiner Zeit menschliche Begegnung, verbaler Austausch mit einem biologischen Gegenüber, der Blick in Gesichter, in Mimiken, Sprache, Sprachmelodie, Diskussion, Lebendigkeit. Dadurch, dass man sich eine geraume Zeit nicht gesehen hatte, gab es neue und überraschende Inhalte, über die man reden konnte. Man erzählte über etwas, was man z.B. mit seinen Eltern jüngst in einem Restaurant gegessen hatte. Dazu bedurfte es der Sprache um sich mitzuteilen und dem anderen an Imagination, sich das Erzählte vorzustellen.
Bei der "Generation Kopf unten" ist das anders. Um beim Essen zu bleiben: "Alles", was gegessen und getrunken wird, wird permanent fotografiert und in Bruchteilen von Sekunden über den halben Erdball mit einer Application software verschickt. Welchen Reiz hat das für die Smombies? Warum sollte mich interessieren, was jemand, den ich kenne, gerade irgendwo zu irgendeiner Uhrzeit isst oder trinkt? Ich verstehe das nicht. Nahrungsaufnahme ist ein essentielles Bedürfnis, welches wir Menschen teilen, muss man es visualisieren und wenn ja, warum?
Erstaunlich ist auch die Fixierung dieser Generation auf ihre Geräte. Sie nimmt gar solche Ausmaße an, dass der Strassenverkehr und ihre Teilnehmer gefährdet werden. Die Post-"Generation Kopf unten" ist dafür eher ein prägnantes Beispiel. Wie oft sehe ich Menschen am Steuer, die am Schreiben sind und dadurch sich und andere gefährden und zwar in dem Maße, dass sie das LEBEN der anderen gefährden.
Städte reagieren auf das Verhalten der Smombies, in dem sie, um Unfälle zu vemeiden, an Bahn- und Strassenbahnübergängen ein Signal an die Smartphones senden "Achtung Bahnübergang!". Beeindruckend.
Die Qualität und die Frequenz mit der Menschen miteinander in Kontakt treten, hat sich durch die Smartphones in einer ungeahnten Weise verändert. Jeder ist zu jedem Zeitpunkt über alles informiert. Ist das erstrebenswert?
Sowieso: Welche positiven Veränderungen bringt diese Generation mit sich? Hat ihre Art zu kommunizieren eine Bedeutung, bringt sie einen Vorteil im menschlichen Miteinander?
Ist die "Generation Kopf unten" sich der Tatsache bewusst, dass die gewaltigen Mengen an Daten, die ausgetauscht werden, anderen, vielleicht Dritten zur Verfügung stehen? Wer garantiert schon, dass dem nicht so ist? Wir sind durch die Entwicklungen der Moderne nahezu transparent geworden in dem was wir tun, was wir denken, auf welchen Seiten wir uns bewegen und wonach wir suchen. Den Smombies scheint zu entgehen, dass sie mit ihrem Handeln, ihrer Art der Kommunikation Dritten Möglichkeiten und Räume eröffnen, über die sie nicht im geringsten eine Vorstellung haben.
Dieser unbedarfte Umgang mit der Technik ist es, der mich am meisten an dieser Generation fasziniert.
Wird überhaupt hinterfragt?
Wie nimmt die "Generation Kopf unten" das wahr, was uns umgibt: Die Realität?
"Alte Leute halten sich meist gebeugt, und während die Jungen nach oben schauen, richten die Alten den Blick auf die Erde, die bald aufnehmen und bergen wird."
Jordan Jovkov
"Junge Leute halten sich gebeugt, und während die Alten nach oben schauen, richten die Jungen den Blick auf ihr Smartphone, das sie aufnehmen und bergen wird."
Smart Phone
Ich bin gespannt, wie sich alles weiter entwickeln wird.
Mit dem Blick in die Tiefen des Weltalls.
Rick Deckard
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