Filmempfehlung – Es muss nicht immer GROSS sein…

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  11. Juli 2016, 12:04  -  #Filme

Filmempfehlung – Es muss nicht immer GROSS sein…Filmempfehlung – Es muss nicht immer GROSS sein…

The Man From Earth (2007) – Jerome Bixby

About A Girl (2015) – Mark Monheim

Tatsächlich ist es ja so, dass man immer selektiver zu Werke geht, wenn es um die kulturelle Auswahl der Freizeitgestaltung geht. Einerseits gehen wir Renaissance Menschen davon aus, dass die Vielfalt der Möglichkeiten einstige monogame Kulturlandschaften langfristig killen werden. Andererseits sind wir kritisch am Beobachten, wie die Qualität im direkten Diskurs mit dem Mainstreampublikum im einleitenden Sterbeprozess ist.

Im Kino ist das seit Jahren ein sehr langsamer Prozess, der scheinbar hypothetisch ist und somit immer diskutabel bleibt. In der Musik gibt es konkrete Beispiele die auffällig sind.

Somit habe ich an diesem Wochenende häufig den Livestream zum deutschen HipHop-Festival SPLASH auf arte.tv. besucht: Spielte eine deutsche Band, rappte ein deutscher Sänger oder führte eine x-beliebige deutsche Partyband, neuste lustige Reime auf, was es voll vor der SNIPES Mainstage, unabhängig von der Tages- oder Nachtzeit. Spielten aber die vermeidlich großen, angesagten, teuren und wichtigen amerikanischen HipHop-Acts wie THE ROOTS oder ANDERSON PAAK, war es leer vor der Bühne. Ein Phänomen, welches vor kurzem auch der INTRO-Chefredakteur zu anderen Festivals, kommentierte.

Die Macht der Multiplikatoren, Gatekeeper und kulturellen Bewahrer wird offensichtlich geringer und geringer, die Mündigkeit des Publikums immer größer, auch weil Soziale Medien bzw. das Wort der „Masse“ eine stärkere Urteilsfähigkeit haben, als alt eingesessene Journalisten und Hippster, die für Magazine, Journale, Zeitschriften und Fanzines schreiben.

Gleiches ist im Film- und Serienbereich zu beobachten! Die analogen Fernsehzeitschriften manipulieren schon lange nicht mehr die Sehgewohnheiten der Zuschauer, mit zweifelhaften Sternen oder Fingern nach oben oder unten! Und es stellt sich doch schon lange nicht mehr die Frage nach dem Qualitätsunterschied zwischen Öffentlich-rechtlichen oder Privaten-Sendeanstalten. Ein gutes Programm, eine Dokumentation oder Live-Übertragung wird via. SM kommuniziert. Was bleibt sind ein paar Sportübertragungen und virale Unternehmungen wie z. B. Neo Royal oder Circus HalliGalli.

Primär findet doch bereits (jetzt schon!) der stärkste Abruf über die Streaming Anbieter statt.

Somit geht ein Anbieter wie z. B. NETFLIX bei der Programmgestaltung auch einen ganz anderen neuen Weg, als alteingesessene Medien- und Mediaplaner. NETFLIX vertraut von Anfang an auf das ORIGINAL PROGRAMMING. Einer Strategie die mit ausgefeilten Algorithmen ein Angebot für jeden einzelnen Zuschauer findet, welches irgendwann mal maßgeschneidert ist.

Dieser Ansatz funktioniert, da NETFLIX keine Werbung schaltet und somit nicht von Mediaplänen abhängig sind. Eigenproduktionen werden somit auf die tatsächlichen Sehvorlieben des Zuschauers konfektioniert, Einkäufe von kostspieligen Lizenz stehen in Abhängig der Vorlieben der Masse. Somit entsteht nach und nach ein eigenes Fernsehvorliebenprogramm für den faulen Zuschauer.

Denn die Gefahr die sich dahinter verbirgt ist klar: Die Variabilität, die Neugierde des Zuschauers, das Entdecken neuer Genres, neuer Filme, Regisseure oder Schauspieler, bleibt in Form gegossen.

Umso wichtiger ist es, dass WIR alle von anderen Dingen erzählen, die abseits des Mainstreams, den ich gar hier gar nicht Frage stellen will, stattfindet!

Somit ist es wichtig, dass man sich mitteilt und die Möglichkeiten nutzt. Vor ein paar Tagen haben Rick Deckard und ich hier auf diesem blog über das Nutzungsverhalten der neuen Medien diskutiert. Als Quintessenz ist herausgekommen, dass jeder Mensch in seiner eigenen Verantwortung steht, wie er damit umgeht. Da aber nicht jeder Mensch, selbstverantwortbar ist, wird es langfristig keine Lösung für das Problem geben!

Ich wundere mich z. B. immer über die Diskussionen die über Facebook geführt werden. Insbesondere in meinem Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis.

Denn ehrlich, ich wunder mich bei einigen Facebook“freunden“ schon, wie Mann/Frau sich mit diesem Programm auseinandersetzt. Denn grundsätzlich –lassen wir mal alle anderen Einwände– beiseite, ist Facebook doch dazu da, sich auszutauschen! Egal, ob es nun das Foto aus dem Urlaub, die eigene Katze, der Baum der im Garten wächst oder ein das lustige Foto von Onkel Dieter vom Familienfest ist. Es ist und bleibt eine Plattform des Austauschs! Aber! Warum nutzen so wenig Menschen Facebook um mal mitzuteilen, welches Buch sie lesen, welchen Film, welches Serie oder welches Konzert sie besucht haben! Der Anspruch dabei muss doch gar nicht hoch sein! Nicht jeder hat die Zeit oder die Motivation zu schreiben. Das ist nachvollziehbar! Aber ein Eintrag, wie z. B. habe gestern den XY gesehen und fand ihn super oder total schlecht, egal, findet man doch sehr selten. Und ich glaube nicht daran, dass es an dem fehlenden Mitteilungsbedürfnis liegt, sondern daran, dass es eine Angst vor der Meinung der anderen gibt!

Und das empfinde ich als sehr schade, denn es ist UNSERE letzte Möglichkeit, neben den Medien, die wir, die es interessiert, zwar noch mannigfaltig finden, die die es aber nicht interessiert -und das ist leider die Mehrzahl- vielleicht auch unter- oder fehlinformiert sind und echt gute Filme verpassen oder sich in ein paar Jahren mal grämen, wenn sie den HipHop wirklich lieben, dass sie einen sensationellen Act wie ANDERSON PAAK, damals verpasst haben, obwohl er mit MALIBU 2016 wohl die maßgebliche Neon-Rap Scheibe rausgebracht hat und mit einer Mehrzahl von Songs auf der so wichtigen Platte von Dr. Dre vertreten war.

Ich bemängle hier die Suche nach etwas neuen und die gleichzeitige Lethargie des allgemeinen Publikums, welches zwar leidenschaftlich in der Masse sein kann, aber eben auch fies und ignorant als Einzelner.

Denn früher funktionierte die sogenannte Mund-zu-Mund-Propaganda doch auch!? Heute gibt es viel mehr Möglichkeit, Devices und die Masse entscheidet gemeinsam, wie die berühmten Lemminge und hören auf dem wichtigsten deutschen HipHopFestival lieber Songs wie „Holland ist die geilste Stadt der Welt“, als den variablen Mix aus Jazz, Soul und Rap der legendären Jimmy Fallon Band und gleichzeitig Philadelphia’s Ur-HipHop Granitgestein THE ROOTS.

-Und so ist auch im Film! Es tut mir leid, ich muss beim vergleichbaren bleiben, denn sonst werden die Beweggründe die ich hier aufrufe nicht einsichtig, eindeutig!-

Nehmen wir einen Film FACK JU GÖTHE! Einem Film der in Deutschland über 7 Millionen Zuschauer hatte. Und der inzwischen sogar in Schulen, nicht nur zur Unterhaltung, gezeigt wird! Einem Film dem man natürlich nicht böse sein kann, der einen aber aggressiv macht, wenn man die Verlogenheit dahinter entdeckt. Und dabei spreche ich gar nicht von den Fördergeldern, sondern von der Vermarktung des Filmes der Macher (denen man das nicht vorwerfen kann, weil sie ja eben ihr Produkt verkaufen wollen) und viel schlimmer von der MASSE die den Film verteidigt, weil ihn ja immer hin jeder siebte Deutsche inzwischen gesehen hat.

„Gute Unterhaltung“, „Ach ja, das ist doch Wohlfühl-Kino“, „Na, dass tut doch keinem weh“ und „man kann doch nicht immer „schwarz-/weiß Filme“ gucken, könnten die lei(en)dhaften Entschuldigungen von aufgeklärten Zuschauern sein! Sie sind es aber nicht! Denn! Es schreibt ja keiner drüber! Und es traut sich auch keiner darüber zu sprechen.

Warum nicht? Denn wenn es tatsächlich so wäre, wie Riemann, M’Barek und Dagtekin es mehrfach betont haben, nämlich, dass dieser Film, einer ganzen Welle von Filmemachern die Chance geben wird, neues, spannendes Kino zu machen, warum landet dann ein Film wie ABOUT A GIRL bei den Zuschauern im unbedeutenden hinteren kommerziellen Feld, welches für „kleine“ Filme aber so wichtig ist und wird  auf ca. 20 Festivals mit Auszeichnung überschüttet.

Verstehen Sie? Hier läuft was falsch! Zum Film:

ABOUT A GIRL ist eine Komödie mit einem ernsthaften Hintergrund. Mark Monheim greift in seinem ersten Spielfilm das schwierige Thema von Sterben und Pubertät auf: Charleen ist 15 Jahre alt und hat versucht sich umzubringen. Diese rebellische Laune scheitert, da sie auf einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, was sie nun wirklich nicht erreichen wollte. Den Charleen ist mehr die nerdige Einzelgängerin, die merkwürdige Interessen hat, aber aus einem fröhlichen Umfeld kommt. Wir begleiten Charleen zwischen erster Liebe, grandiosen Sitzungen bei ihrem skurrilen Psychotherapeuten, sehen, wie sich die Erwachsenen zum Löffel machen und gewinnen mit ihr neuen Lebensmut.

Denn dieser Streifen ist ein „Feel Good Movie“ bester Art und Weise. Das schönste dabei ist, dass es eine deutsche Produktion ist, die über nicht stereotyp ist, tolle Schauspieler hat und wirklich lustig ist, ohne F-Wörter zu benutzen und trotzdem funktioniert! Ein seltenes deutsches Phänomen.

Eine schöne Geschichte und ebenso seltenes Phänomen ist die Geschichte des seit 14.000 Jahren lebenden Cro-Magnon-Mensch John Oldman, der einer Gruppe von Wissenschaftler & Freunden während seiner Umzugsparty eben diese unfassbare Begebenheit darlegt. „Angenommen, ein Mensch aus der Altsteinzeit hätte bis heute überlebt, war wäre er für ein Mensch?“.

Die Diskussion in dem Film The Man From Earth beginnt…

Das Kammerspiel auch, denn der nur knapp 85 Minuten lange Film, spielt nur im Wohnzimmer von Professor Oldman. Die Faszination der Geschichte liegt dabei nicht, im Weggang des Professors und seinem Grund, warum er nicht älter wird. Auch ist es nicht die faszinierende Idee, dass er einst Buddha getroffen hat und später Jesus war. Es ist die Reaktion und das Verhalten der Zuhörer, die ja zufällig Anthropologen, Historiker, Archäologen und Psychiater sind! Sich aber trotzdem gar nicht wissenschaftlich aufführen, sondern eben mit den Ängsten, Vorbehalten und Meinungen ausgestattet sind, wie es eben wir alle sind, die sich nicht langsam und mühsam davon befreien, Neues an zu nehmen, Altes zu überdenken und bevor man urteilt und es eskalieren lässt nach Erklärungen zu suchen, die vielleicht auch mal unbequem sind und sich von der Masse trennen. Dabei muss man ja nicht gleich ein schlechterer Mensch sein, als seine Nachbarn, die doch schon den gleichen albernen Grill, den gleichen Buchsbaum und das gleiche Gartenhaus haben!

Oderint, dum metuant

Alan Lomax

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