Die Faust von oben - Erinnerungen an Bud Spencer
Bastian Schweinsteiger hat vor kurzem nach seinem erfolgreichen Einstand bei der diesjährigen Europameisterschaft daran erinnert: Menschen vergessen schnell.
Lomax & Deckard vergessen nicht und schon gar nicht ihre Helden, die berühmten "Vergessenen Helden".
Zwei ausser Rand und Band
1976. Ich spielte in der Schulpause, als eine Mitschülerin mich fragte, ob ich denn Bud Spencer & Terence Hill kenne? Es sei ein neuer Film ins Kino gekommen: Zwei ausser Rand und Band. Sie hätte ihn bereits gesehen und er sei sehr lustig. Ich musste passen und konnte zu diesem Zeitpunkt weder mit dem Film noch den Namen etwas anfangen.
Es war die erste Begegnung mit Bud Spencer.
Die Video Ära
Die 80er Jahre. Ein Freund besaß einen dieser neuen Geräte, einen VHS Video Recorder, mit dem man zuhause Filme abspielen konnte. Das war die Zeit, in der Bud Spencer zum Kult avancierte. Maßgeblich hierfür waren die beiden Klamauk-Western "Die rechte und linke Hand des Teufels" und später "Vier Fäuste für ein Halleluja". In diesen Italo-Western Komödien kamen sie zur vollends zur Geltung, die Eigenschaften, die Bud Spencer berühmt machten und die belegen, dass es nicht immer Method Acting sein muss:
- die Souveränität
- das Schweigen
- die zusammengekniffenen Augen
- das tiefe Durchatmen
- das Grunzen
- und am Ende der berühmte Hammer von oben, der jeden Gegner ausschaltete.
Was mich an diesen beiden Filmen faszinierte und den Kult um Spencer ins Leben rief, war der Humor, der anarchische Humor. Hill & Spencer ergänzten sich blind und beide vermochten etwas, was ich persönlich als eine beachtliche Leistung empfinde und die ich sehr wertschätze: Sie brachten einen zum Lachen. Das ist eine grosse Kunst. Das Lachen verging nicht und das macht die zeitlose Qualität aus: Man konnte wieder und wieder darüber lachen. Das war es, was Spencer unvergessen machte.
Der Kult
Das Interesse an Schauspielern war seit jeher gross und sehr früh interessierten mich die Biografien der Darsteller. Ich erinnere mich, wie ich einen Bildband zu Weihnachten geschenkt bekam mit dem Leben und Schaffen von Bud Spencer, alias Dr. Carlo Pedersoli im wirklichen Leben, wie ich zu lesen bekam. Beachtlich, was dieser Mensch vor seiner filmischen Karriere alles gemacht und erreicht hatte. Das nötigte mir grossen Respekt ab, nichts desto trotz vergass ich es alles, wenn ich seine Filme sah und wir wollen nochmals an sie erinnern (ausser den bereits erwähnten):
- Zwei Himmelhunde auf dem Weg zu Hölle
- Auch Engel essen Bohnen
- Die "Plattfuß" Reihe
- Sie nannten ihn Mücke (Die berühmten "Sie nannten..." Ihn Filme mit dem grossen Raimund Harmstorf)
- Eine Faust geht nach Westen (mein erster Film mit Bud Spencer im Kino, namentlich dem Gloria Theater in der Georg Strasse in Hannover)
- und der letzte grosse: Vier Fäuste gegen Rio
Zugegeben: Die Übersetzungen sind grottenschlecht und auch die Streifen waren in der Regel "günstig" heruntergekurbelt ohne grossen Anspruch, aber wer sagt denn, das Kino immer anspruchsvoll und künstlerisch sein muss? Sie haben unterhalten, darauf kam und kommt es an.
Bud Spencer zeichnete vieles aus, was ihn für mich und Lomax zum Helden machte. Es waren v.a. die Charaktere, die er auf der Leinwand verkörperte: Ein harter Typ mit einem weichen und gutmütigen Kern, sein Sinn für die Gerechtigkeit, das gemütliche Element, seine grosse Leidenschaft für das Essen und seine Aversion gegen nichtsnutzige Kriminelle.
Letzteres gilt es zu beleuchten um den Kult näher zu definieren. Exemplasrisch eine klassische Spencer - Szene, so wie sie sich in ähnlicher Form durch viele seiner Filme gezogen hat:
Spencer sitzt irgendwo und möchte in Ruhe essen. Meistens wird er durch Gangster und Halunken gestört. Es folgt ein langsamer Blick der besagt: Lass mich in Ruhe. Das wiederholte sich ein- bis zweimal. Falls trotz der Warnungen keine Ruhe einkehrte musste derjenige einstecken, entweder eine erstklassige Ohrfeige oder den berühmten Hammer von oben. Auch das war, wie Lomax in seinem vorherigen Beitrag vollkommen richtig bemerkte, ein Kernelement des Kults und Erfolges: Wenn man Menschen mit Vernunft nicht erreichen kann, dann muss es auch mal eine Respekt-Schelle sein! Lacher waren immer garantiert.
Eine der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte.
Auch heute, als ich dieses Video eingefügt habe, kullerten die Tränen und der Atem stand still. Zeitlose Qualität.
Ich möchte noch einmal auf die Prügelszenen zurückkommen, die Bud Spencer berühmt machten.
Gute Faustkämpfe sind selten im Kino. Ich meine nicht die bis ins Detail choreografierten, sondern die klassischen, die klaren und einfachen. Mir fällt da z.B. der Kampf von Alan Ladd gegen Van Heflin in SHANE ein. Solche Fights meine ich. Oder die aus FIGHT CLUB. Bud Spencer entwickelte seinen eigenen Style, der schlicht, aber höchst effektiv war:
- Die Backpfeife: Im Gegensatz zu anderen Kämpfern wie Bruce Lee oder Chuck Norris kam die Hand meistens am ausgestreckten Arm dem Gegner entgegen. Präzise und schnörkellos und zudem mit dem bekannten Geräusch.
- Der Hammer: Ansatzlos mit einer ungeheuren Wucht und Schnelligkeit ausgeführt wurde dieser Move zu einem Klassiker. Bis heute unerreicht!
Exemplarisch eine Szene aus "Zwei wie Pech & Schwefel", in der der Hammer auch in doppelter Ausführung zu bewundern ist:
Spencer & Hill erheben den Faustkampf zur Kunst!
Was Bud Spencer aber auch zu einem Helden werden liess war der Umstand, dass er sich in den Filmen wie ein "Mann aus dem Volk" zu erkennen gab, jemand "wie Du und ich". Keine Manierismen, keine Eitelkeiten, kein falscher Stolz. Er war ein grosser Sympathieträger und jemand, der "Coolness" auf eine bestimmte Weise definierte: Seine eigene. Das machte ihn so populär für uns.
Eines dürfen wir nicht vergessen: Spencer hatte zwei grosse Partner, die ohne Zweifel zu seiner Popularität beitrugen: Terence Hill und sein Synchronsprecher Wolfgang Hess (später auch Arnold Marquis und Martin Hirthe).
Das Erbe
Bud Spencer wird unvergessen bleiben.
Eine Legende.
Einer der ersten grossen Kinohelden.
Auch wenn wir über Menschen zu Lebzeiten vielleicht nicht immer schreiben: Vergessen tun wir unsere Helden nie. Spencer wurde mehrfach für seine Leistungen ausgezeichnet und erhielt einen Bambi und zwei Mal den Jupiter und den BRAVO Otto in Silber. Auszeichnungen von Kinogängern. Was für eine grosse Ehre!
In Zeiten des digitalen Franchise Wahnsinns und der unendlichen Prequels, Sequels und Reboots beruhigt es zu wissen: Kino geht auch einfach und funktionert ebenso gut, wenn nicht manchmal besser.
Daran wird uns BUD SPENCER immer erinnern.
Er verstarb am 27.06.2016 im Alter von 86 Jahren.
Rick Deckard
Bildquelle / Copyright: https://www.amazon.de/Bud-Spencer-Faust-Baumwolltasche/dp/B00FA2PH74