Turbonegro Köln - Live Music Hall 19. Februar 2016
In memoriam: Rocco Clein
In Gütersloh, Paderborn, Wuppertal, Oldenburg da überall ... leben Menschen In Offenbach, Birkenfeld, Thüringen, Rosenheim da überall ... sind sie zuhaus’ In Bielefeld, Osnerbrück, Memmingen, Regensburg da überall ... leben Menschen In Willhelmshaven, Magdeburg, Norderstedt, Hillesheim da überall ... sind die zuhaus’
Seit Monaten schwirrt mir dieser Text von Fraktus im Hirn rum! Immer wieder, immer wieder! Weiter geht es dann..Warum tun die das? Warum sind die da? All' die armen Menschen (All' die armen Menschen) Warum holt sie keiner daraus? All' die armen Menschen! Die Textzeile die ich dann immer vergessen oder übersehen habe ist aber entscheidend!
Warum holt sie keiner daraus?
…und als ich gestern Abend in der LMH in Köln beim Turbonegro Konzert stand, viel es mir wie die Schuppen von den Augen. Überall um mich herum waren sie. Vertreter der Turbojugend aus Gütersloh, Paderborn usw.! Ausweisbar macht sich die Turbojugend ja selbst, da auf ihren Jeanskutten die Herkunft des jeweiligen „Chapters“ steht.
Fraktus als alte Hamburger Analysten haben es also tatsächlich bereits in A.D.A.M besungen: das Turbonegro Phänomen! Denn naürlich ist es die norwegische Band die sie alle raus holt!
Früher funktionierte das mit einer ironischen Mischung aus 80 % Punk und 20 % Heavy Metal. Und was soll ich sagen, es war großartig. Gerade für uns oftmals kopflastigen, nur mit dem rechten Fuss wippenden Musikalleswisser, war es in den neunziger Jahren manchmal wie eine spirituelle Reinigung, den völlig durch geknallten Hank von Helvete mit seinen super Erfindungen (Arschrakete) oder eben der ganzen genialen Outfitterie der Band und tja, auch ihrem erdigen Schweinerock zu hören. Gerne haben wir mitgegröllt, wenn es hieß „Fuck The World“ oder „I Got Erection“! Ein Befreiungsschlag, ohne nachzudenken.
Aber, aber die Zeiten ändern sich. Die Band ist noch immer gut eingespielt! Turbonegro Klassiker wie „Sell Your Body“ und „All My Friends Are Dead“ sind alles andere als alltägliche Rocknummern. Insbesondere Euroboy (Knut Schreiner) rechtfertigt musikalisch die Band aus Oslo und lässt mit klassischen Gitarrensound an beste James Williamson und Ace Frehley Zeiten denken.
Das war es dann aber auch schon. Ein wesentlicher großer Teil des heutigen Problems der Band, ist das bereits angesprochene Fehlen von Hank von Helvete. Einem fantastischen Schauspieler, der sehr gut singen konnte. In Wirklichkeit heißt der Mann Hans Erik Husby und hat das System Rocktheater genial verkörpert, provoziert, aber eben auch ständig subtil ironisiert. Die Rolle seines Lebens ist leider Segen und Fluch zugleich. Der Mann ist schwer heroinabhängig und eben für dieses Projekt nicht mehr tragbar gewesen.
Neben dem stilistisch grandios nachgespielten verpunkten Siebziger-Hardrock, der durchaus geblieben ist fehlt halt nun Gestus und Habitus. Der neue Sänger Tony Sylvester ragt nicht mal annähernd an die leistungsfähig von Hank. Interessanter Weise wirkt sich das auf die gesamte Band aus, die zwischenzeitlich wie eine drittklassige Osloer Hochzeitscover wirkt. Trauriger Höhepunkt des Abends war ein Medley der schlimmsten amerikanischen Rocknummern vergangener Jahre von Bruce Hornsby, Van Hallen bis Glenn Frey.
Aber vergessen wir das einfach, erwähnen all’ die netten Leute, die wissen wie man sich auf so einer Veranstaltung verhält, nämlich respektvoll und gegenseitig anerkennend, denn schliesslich unterliegt man gemeinsam dem merkwürdigen Phänomen der Band.
Ich aber trete aus der imaginären Turbojugend Köln Nord aus und widme mich neuen Aufgaben.
Hail to St. Pauli!
Alan LOmax