Helge Schneider – Köln Philharmonie, 06. Februar 2016

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  10. Februar 2016, 20:02  -  #Konzerte

http://www.helge-schneider.de/fotos

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Die Tradition Helge Schneider am Karnevals Samstag in der Kölner Philharmonie zu sehen, hat gemeinsam mit Rick Deckard im Jahr 2008 (sic!) begonnen. Leider hat sich der jährliche Besuch mit Rick dann nicht fortgesetzt, sondern in ständig anderer Begleitung, primär familiär bezogen. Was auch gut und schön ist, in Textur mit blog und Deckard, aber auch ausreichend für einen kurzen Rückblick sein soll. Inhaltlich und aus kritischer Konzertberichterstattungssicht, habe ich in den vergangen 8 Jahren alle Superlativen zu Helge Schneider aufgerufen die es gibt (nachzulesen im Archiv).

Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen ersten Samstag, als ich mit dem als Sträfling verkleideten Deckard, in Richtung Philharmonie aufbrach. Wir hatten bereits am späten Nachmittag einige „Kaltschorlen“ getrunken und mussten uns erst mit zwei Kollegen von Deckard in einem feinen 4 Sterne Hotel treffen. Dort gab es weitere Drinks. Und so sind wir recht angeschlagen Richtung Philharmonie gepilgert. Allerdings mit einem kurzen Zwischenstopp an einem Bahnhofskiosk, um uns einige Flachmänner zu kaufen, die wir in den Kulturtempel schmuggeln wollten, um unseren später noch erwähnten Unterhaltungshelden aus der Wüste in Nevada aller Ehre zu machen.

Die Erwartungshaltung von Deckard vor dem Helge Schneider Auftritt, war –so glaube ich zumindest– recht gering. Klar, ihm war bewusst, dass der Mann ein gewisses Talent hat, aber in Wirklichkeit ging er recht unbefangen und wie er damals zu sagen pflegte „open minded“ in die Show. Was folgte, waren 2,5 h Highend uns -speed Entertainment. Ein Feuerwerk, aus Gags, Slapstick, grandios gespielten Jazz und den besten Slots aus Helges Live Programm zu der Zeit inkl. der unfassbaren Udo Lindenberg Parodie, dem Meisenmann, einer fantastischen Ruby, My Dear Cover Version des Standards und dem furiosen Reisebericht bzw. Tagebucheintrag vom 03.02.1893. Deckard und ich hatten die klassischen astmathischen Lachanfälle und waren insbesondere bewegt von dem sogenannten „Magischen Moment“, wie man ihn nicht oft erlebt, wenn man zu einer Unterhaltungsshow in diesem Land geht.

Nun muss man dazu sagen, dass der alte Knabe Deckard, genau wie ich, insbesondere bei dem Thema „Entertainment“ eine besonders verklärte und romantisierende Sicht auf die Dinge haben. Ich glaube noch heute, dass wir gemeinsam die Idee in unserem alkoholisierten Zustand hatten, dass wir so etwas wie einen Jerry Lewis Auftritt im Las Vegas Sands 1963 erlebt hatten. Und ganz ehrlich, wenn man so verkleidet als Häftling und als Ex-Marine-Vietnam-Veteran-im Hawaii-Urlaubs Kostüm im Kölner Karneval unterwegs ist, da muss man schon sehr romantisch sein und  Entertainment in der eigentlichen Veranschaulichung des Wortes verstanden haben. Wie auch immer ein glanzvoller, unvergesslicher Abend, mit einem die ganze Nacht hindurch schwärmenden Deckard an meiner Seite.

Beim ersten Mal ist es immer am schönsten, klar, aber da tut es auch meisten weh, wie bereits unsere geinsame Gesangs-Ikone Stefan Waggershausen sang. Wobei der Schmerz ehr der Alkoholischen Natur ist. Und so verbleibt auch das Gefühl vom vergangen Samstag und der Aussage, meiner Tochter, die nach nun fast ebenso so vielen nüchtern besuchten Helge Schneider Shows, meinte, dass es sehr gut war, aber eben auch nicht seine Beste?

Ich bin nicht zufrieden mit dieser Aussage, kann sie aber verstehen, denn natürlich wiederholt sich vieles bei einer Helge Schneider Show, was aber auch an seinem Anspruch des „Quatsch machen“ beruht. Denn natürlich ist es unmöglich sich permanent neu zu erfinden und es ist auch eigentlich nicht notwendig. Auch wenn man inzwischen das Gefühl hat, dass es eben diese eigene Motivation sich neu zu erfinden ist, die ihn der jüngsten Vergangenheit gelähmt hat und auch der Grubnd war sich frühzeitig selbst in Rente zu versenden. Tief im innersten der Seele Helge Schneider wird man die Angst an der Wiederholung, am ewig gleichen finden, wenn man sich Zeit nimmt, die vielen Live-Auftritte mit einer subjektiven, aber empathischen gesamten Sicht zu analysieren.

Dies soll übrigens keine Kritik sein, sondern nur eine Überlegung, wie der Künstler Helge Schneider tickt, der gut funktioniert, aber eben auch inzwischen die Traurigkeit des Clowns inne hat. Ich denke da, nicht hochtrabend an den Pierrot der müde ist, die ständige Zielscheibe des Spotts zu sein. Denn wer in dem Publikum versteht schon z. B. die grandiosen Stride-Piano Akzente des fantastischen Pianisten Schneider, die ehr ein Geschenk Gottes darstellt, als eine langjährige Übung. Man muss dazu nicht nur unglaubliche Fingerformen auf die Tasten legen, sondern auch verstanden haben, dass der Ragtime den Swing entwickelt hat.

Natürlich ist Schneider ein Filou. Wahrscheinlich kann er sehr genau erklären, was z. B. eine Dezime ist und beeindruckt ja selbst beim neu interpretierten Katzenklo, dass er in der durchaus komplizierten Nummer diese melodischen Intervalle meistert, stellt sich aber auch nicht scheu, zu zeigen, dass er im Prinzip ein schlechter bzw. autodidaktischer Trompetenspieler (Die Trompeten von Mexiko) ist und ein fürchterlicher Gitarrist ist, wenn er Sandro Giampietro das Solo überlässt. 

An diesem Samstag aber ist im Gegensatz zu den vorherigen ca. 8 Shows die ich live gesehen habe alles pure Magie und permanentes Entertainment, denn offensichtlich ist es so, dass Schneider sich dazu entschlossen hat, seine Kunst zu perfektionieren und nicht sie neu zu erfinden. Viele der alten Nummer hat er neu interpretiert. Augenscheinlich rückt er die Aktionen und Vorlagen seiner komischen Slapstick Idole (Keaton, Tati) in den Vordergrund und setzt einfach mehr auch körperlichen Einsatz „Bodo hol mal den grünen Stuhl, der rote Sessel ist zu rutschig“.

Und zusammengefasst bewahrt er sich eins: Die Neugierde darauf, dass Publikum mit immer neuen Ideen und Einfälle zu konfrontieren und sich dabei selbst treu zu bleiben bzw. nicht abzuheben. Die Mehrheit an diesem Samstag versteht das und feiert zu recht die fast drei stündige Show, die natürlich mit einer furiosen Orgelpräsentation auf der großen Orgel der Philharmonie endet. Man hat den Eindruck, dass Helge sich darauf am meisten gefreut hat.

Ich freue mich schon auf’s nächste Jahr!

Alan Lomax

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