The Man In The High Castle – Frank Spotnitz

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  8. Januar 2016, 10:42  -  #Fernsehen

The Man In The High Castle – Frank Spotnitz

In einer Alternativwelt beherrschen die Deutschen und die Japaner im Jahre 1962 den Planeten und haben sich die USA aufgeteilt. An der Ostküste herrschen die Deutschen und an der Westküste die Japaner. Jegliche Freiheiten, Glauben, Freigeistigkeiten und Gesinnungen werden von der japanischen Kempeitai und der deutschen Gestapo überwacht.

Was für eine fürchterliche Vorstellung, die der geniale Autor Philip K. Dick bereits im Jahre 1962 in seinem dystopischen Buch „Das Orakel vom Berge“ beschrieben hat und auf das sich nun, die von amazon produzierte Serie, bezieht.

Gleichzeitig ist das aber auch schwer zu verstehen, wenn man bisher keinen Zugang zur echten Science-Fiction Literatur gehabt hat. Denn natürlich liegt die Faszination der Geschichte in den Details der Alternativweltgeschichte. Also dem Gedankenspiel, wie der Lauf der Weltgeschichte der von uns bekannten abgewichen ist.

Völlig unmöglich an diesem „Spiel“ Freude zu haben, wenn man sich nicht für Geschichte interessiert, den die kontrafaktische Geschichte kann nur so gut sein, wenn sie möglichst plausibel und präzise erzählt wird und der Zuschauer bzw. Leser mit den historischen echten Quellen vertraut ist oder sich zumindest einliest.

Nahliegend also für eine Film- oder Seriengeschichte sich mit dem noch recht jungen und somit relevanten Thema des zweiten Weltkriegs zu beschäftigen, obwohl es auch einige aktuellere Beispiele gibt, wie z. B. Matt Ruff’s „Mirage“ (0911) oder die Ermordung von John F. Kennedy den Folgenden des Vietnamkriegs und dem kalten Krieg in zahlreichen Machwerken.

Natürlich ist es verstörend und reißerisch zu sehen, wie in den uns bekannten amerikanischen Vororten die amerikanische Flagge inkl. Hakenkreuz weht und Kinder in HJ-Uniformen auf ihren Skateboards und Rollschuhen die Straßen bevölkern. Es ist gleichsam ein reaktionär, provozierender Alptraum für Kulturschaffende und –interessierte, Herbert von Karajan als Dirigent der New Yorker Philharmoniker zu sehen. Es ist aber auch interessant zu überlegen, wie die technische Entwicklung sich unterschieden hätte, von der tatsächlichen, wenn es so gekommen wäre. Denn aus der Sicht von 1960 hat das Deutsche Reich sich zwar für ein umfassendes Raumfahrtprogramm, für Wasserstoffbomben und interkontinentale Passagier-Raketenschiffe interessiert, aber z. B. dem Fernsehen kaum eine Bedeutung geschenkt. P. Dick beschreibt in dem Roman, dass in Deutschland nur vier Stunden am Tag ein Programm gesendet werde und der Bau des ersten Fernsehsenders in Nordamerika für 1970 projektiert sei.

Das Ganze ist ein unendliches Panoptikum an Ideen, Detailverliebt und Wissen, um in Gänze das Ausmaß des Stoffes zu verstehen.

Abgesehen von dem Horrorszenario das die Nazis den Krieg gewonnen haben, was wirklich erstmal schwer verdaulich und kaum zu realisieren ist, kann man bei dieser Serie wirklich von einem historischen Spiel sprechen, welches über das gut angesetzte Setting des Film Noir und einer netten Agentengeschichte hinausgeht, die Idee der Serie aber wiederum auf ein neues Level setzt, da es den Zuschauer fordert nachzudenken über seine eigene Welt und den bedenklich negativen Ausgang aufmerksamer wird die eigene Realität wahrzunehmen.

Denn die Serie ist verstörend aufgrund der fiktiven Alternative, die im Übrigen auch eine Alternative zur der immer mehr in den kritischen Fokus rückenden Erzählform der Heldenreise einnehmen kann. Natürlich kann eine Dystopie eine schöne Geschichte niemals ersetzen, aus meiner Sicht, aber eben gerade, wenn sie so erzählt wird wie in der von David W. Zucker und Ridley Scott produzierten Serien, nämlich recht humorlos und angst machend so leben zu müssen.

Und es gibt natürlich einen weiteren Effekt bzw. eine verstörende Vorstellung: Was wäre mit Hollywood und der Popkultur passiert, wenn uns unsere schöne freie Welt verwehrt blieben wäre?

Für wahr darauf, ergeben sich zig‘ Möglichkeiten der Ableitung. Aber! Eines ist wohl klar! Wir würden heutzutage nicht diesen blog schreiben und uns selbst Fallen oberflächlicher Natur legen in welchen Formaten oder auf welchen Devices wir etwas lesen, uns ansehen oder anhören, sondern davon träumen, dass es so wäre.

Insbesondere weil die nächste Bedrohung der demokratischen Welt durch den Terror nicht nur vor der Tür, sondern inzwischen in unseren Städten steht und eine Serie wie THE MAN IN THE HIGH CASTLE dazu anregt, sich die freie Welt mit allen Annehmlichkeiten einmal positiv zu sehen und nicht nur immer aus einem bildungselitären Meinungsturm auszupacken der sehr subjektiv in der Wahrnehmung erscheint.

THE MAN IN THE HIGH CASTLE ist nicht so aufregend, oder spektakulär reißerisch wie man sich das nun vorstellt. Wir erleben eine recht ruhige und geordnete Erzählstruktur, unaufgeregte Schauspieler, was sehr angenehm ist, insbesondere bei den Bösewichten und eine interessante Erzählperspektive, die vorläufig seines Gleichen sucht.

Aus einem sehr hohen Turm

Alan Lomax

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