Kino Kino - ...es stirbt der Film, nicht das Gebäude!

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  19. Januar 2016, 18:39  -  #Filme

Der hat's gut! Er verliebt sich gerade ins Cinema Paradiso....

Der hat's gut! Er verliebt sich gerade ins Cinema Paradiso....

Manchmal lege ich mich einfach auf’s Sofa, schalte den Fernseher an und gucke einen Film! Und zwar konditioniert so, dass ich mich nicht auf einen Streamingdienst, eine Online-Videotheke oder auf meine Festplatte beziehe! So habe ich z. B. am Samstagnachmittag den Film „Der letzte Countdown“ (Don Taylor; 1980) und dann „The Fan“ (Tony Scott, 1996) gesehen. Beides gute, erwähnenswerte Filme, die unterhaltsam und spannend sind. Zu dem mit Kirk Douglas und Martin Sheen, sowie Robert De Niro und Wesley Snipes hervorragend besetzt sind.

Für Menschen die das Kino nicht lieben, die sich nicht jede freie Minute mit dem Thema Film beschäftigen, eine Unbekannte! Für jüngere Menschen sogar eine wesentliche Unbekannte. Denn weder Douglas, noch Snipes und auch leider nicht De Niro und Sheen sind deren Helden. Taylor der mindestens 20 große Blockbuster der Filmgeschichte gemacht hat und Scott den Deckard und ich für seine radikalen visuellen Visionen und oftmals reaktionären Streifen schätzen, dürfte der Zielgruppe unter 30 Jahre gänzlich unbekannt sein.

Auch wenn ich unrecht haben sollte und meine Wahrnehmung negativer als die Wahrheit ist, so macht das im Untergang des alten Kinos, vielleicht 5 – 8 weitere Überlebensjahre aus. Die Einschaltquote des übertragenden Senders WDR von „Der letzte Countdown“ nennt 3,6 Tausend Zuschauer! Hätte ein Off-Kino den Film an einem normalen Wochentag gezeigt, würde ich auf max. 5 zahlende Zuschauer setzen. Den Film gibt es auf DVD in der Ramschbox für 99 Cent und stirbt somit langsam, aber sicher, den Filmtod. „The Fan“ hat vielleicht noch eine Lebenserwartung von 6 Jahren, bevor er in die totale Unvergessenheit gerät.

Ich kann die Tatsache, dass Filme einfach in Vergessenheit geraten beweisen und, dass sie dann sterben, sogar belegen. Ich gebe Ihnen drei Beispiele:

Wer den Wind sät‘ – Stanley Kramer – USA 1960

Die Nacht der Generäle – Anatole Litvak – USA 1966

Der Omega Mann – Boris Sagal – USA 1971

Ich könnte die Liste auf ungefähr 200 aufstocken! Es wird eine Liste der vergessenen Meisterwerke, die kaum jemand bewahrt, denen kaum jemand eine Lobby gibt und die auch leider in keinen Algorithmen der Empfehlungsprogramm bei amazon oder Netflix auftauchen. Allein aus dem Grund, weil sie den Streamingportalen wenig Zuschauerrelevanz versprechen und weil sie kommerziell wenig vielversprechend sind. Denn natürlich haben auch Filme, die kurz „vor der Rente“ stehen, also auf DVD oder BR in den Ramschkisten verschwinden, eine kommerzielle Relevanz. Insbesondere dann, wenn irgendein Verleiher auf die Idee kommt, solche Filme tatsächlich noch einmal neu zu verlegen.

Bitte nageln Sie mich nicht auf diese drei Beispiele fest. Ich habe sie gewählt, weil es sich bei allen drei Filmen um außergewöhnliche Filme handelt, die man nicht wieder vergisst, wenn man sie je gesehen hat. Alle drei Filme haben zudem das Attribut "zeitlos". Sie funktionieren definitiv bei einem breiten Publikum jeden Alters und jeglicher sozialen Herkunft. Aber es sind Film die nur noch in einer gewissen Cineastenszene auftauchen oder bestens Fall eine Wiederaufführung bei irgendeiner Retrospektive eines Filmfestivals finden.

Natürlich gibt es auch andere Kategorien über die man nun nachdenken könnte und sogar müsste. Was ist z. B. mit den ganzen italienischen und französischen Meisterwerken der 1950ziger und 1960ziger Jahre, was mit den reaktionären Actionfilmen der 1970ziger und 1980ziger Jahre, mit vergessen Perlen großer Regisseure, wie z. B. „Ryans Tocher“ (David Lean; 1970) oder Martin Scorsese’s „Zeit der Unschuld“ von 1993 oder Stanley Kubricks ausladendem epischen Film „Barry Lyndon“ aus dem Jahre 1975. Und sogar Filme die noch in dem Bewusstsein der sogenannten TV-Generation stehen, wie z. B. „VERTIGO“ von Alfred Hitchcock, „Viel Lärm um Nichts“ (Kenneth Branagh; 1993) oder „Der Dritte Mann“ von Carol Reed (UK 1949) sterben doch langsam bzw. verschwinden von der Bildfläche. Von den frühen Meisterwerken des Stummfilms, schweige ich mal, erwähne aber zumindest noch die Filme der Kritikerlisten, die leider immer gleich sind und selten ein Potenzial der Erwähnung führen. Alle großen Zeitschriften, internationalen Filmkritiker führen diese Listen. Eine Möglichkeit der Erhaltung und Bewahrung. Die allerdings aus meiner Sicht viel zu fahrlässig und somit vergleichbar von den Verantwortlichen geführt werden.

Es gibt viele Menschen die sich für das Kino interessieren und auch gerne mal einen „alten“ Film sehen würden. Da bin ich mir sicher! Es gibt auch in der sog. Kernzielgruppe der 18 – 40 jährigen (weil für die Werbung am relevantesten) ein Bedürfnis solche Filme zu sehen, da bin ich mir auch sicher. Aber Menschen die auf Algorithmen angewiesen sind oder auf Listen, die von bornierten Journalisten geführt werden haben kaum eine Chance, etwas Besonderes, wie z. B. die drei genannten Filme zu entdecken, weil es keine aktive Informationsquelle gibt, die auf die Bedürfnisse dieser Menschen zu geschnitten ist. Ausnahmen wie die Traumathek (Videothek für internationale Filmkunst in Köln) oder die Seite Rotten Tomatoes sind leider viel zu selten.

Glauben Sie also bitte nicht das der beste Film aller Zeiten Orson Welles CITIZEN KANE von 1941 ist. Der Meilenstein ist sicherlich einer der besten Filme überhaupt, aber ob es der Beste ist, lässt sich nur beurteilen, wenn man ähnlich angelegte Dramen der 1940ziger und 1950ziger Jahre kennt. Somit den zeitlichen Bezug versteht, die gesellschaftlichen und politischen Umstände und die Komplexität des Hollywood-Systems. Sie können nicht einfach anfangen sich CITIZEN KANE anzusehen und 2,5 h später sagen, wow, dass ist der „beste Filme den ich je gesehen habe“, wenn sie die Variationen des Motivs nicht kennen. Die Schauspieler, den Regisseur und den Ansatz. Es ist nicht möglich.

Und das ist kein Vorwurf an Dummheit, Unterlassung oder fehlender Leidenschaft, sondern es ist eine von mir begründete Angst, dass sich mit diesem Thema, dem Thema des Films, im Sinne von Bewahrung und einer funktionierenden internationalen Interessensgruppe bald nicht mehr existieren wird.

Und was nutzt die Jammerei bzw. ein möglicher Vorwurf des Desinteresse an die Gesellschaft, wenn man nicht gleichzeitig eine Idee entwickelt, wie man dem, was ich befürchte einige Merkmale zum Unterlass entgegensetzt.

Denn im Prinzip ist es einfach. Was fehlt ist der Lobbyimus! Ein Interessensverband der strategisch auf eine filminteressierte Gruppe von Menschen, die sich nicht als Cineasten bezeichnen, sondern das potenzielle Interesse haben, sich für alte Filme zu interessieren, die nicht in der Ramschbox der Elktroläden sterben dürfen. Eine Gruppe von Menschen die die wenigen Meinungsmacher wie Fernsehsender und Streamingdienste beeinflusst und mittels Leidenschaft, Wissen und Liebe zum Kino, Einfluss auf die Algorithmen der Anbieter nimmt. Die zwar genial programmieren können, denen aber eines fehlt, die Korrelation von Hirn, Herz, Seele des Menschen und der Wahrhaftigkeit im Film…

Aus der Abteilung „Der besondere Film“ im Elektrofachmarkt um die Ecke

Alan Lomax

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren: