Nebraska - Alexander Payne
In einem Interview hat Regisseur Alexander Payne gesagt, dass er eigentlich gar keine Roadmovies mag. Wenn man sich aber sein bisheriges Werk ansieht, sind 3 seiner abendfüllend Filme (About Schmidt, Nebraska und Sideways) Roadmovies im klassischen Sinn, aber eben auch Filme über Lebenskrisen, Männer und den Erhalt der eigenen Würde und haben somit viel mehr Handlungstiefe und -reife als eine spröde Genrebezeichnung die nur eine Formalität darstellt.
Ich bin seit langem Fan von Payne. Im Prinzip ist er neben zwei, drei anderen amerikanischen Regisseuren, mein wirklicher Lieblingsregisseur. Einer der Hauptgründe dafür ist natürlich, dass mich die Filme und die Geschichten seines Koautors Jim Taylor tief berühren. Aus Filmischer Sicht, ist Payne für mich persönlich einer der wenigen zeitgenössischen Filmemacher die einen sogenannten „eigenen Ton“ haben. Vielleicht haben Sie schon einmal was von dem „Wilder-Touch“ gehört? Genau die Bezeichnung meine ich.
Das der nun neuste Film von ihm „Nebraska“ heißt ist kein Zufall, den Paynes Spielstätten haben immer etwas mit der Handlungstextur zu tun. Der Film schildert, wie ein vermeidlicher Lottogewinn, einen Vater und sein Sohn dazu zwingen, Zeit miteinander zu verbringen. Auf dem gemeinsamen Weg in die Stadt Lincoln/Nebraska, treffen Sohn David (Will Forte) auf zahlreiche Menschen aus Vater Woodys (Bruce Dern) Leben. Die Nebenfiguren sind alle recht kauzig und schrullig. Auffällig ist, dass diese Figuren von Payne nicht so liebevoll beschrieben und gezeigt werden, wie gewohnt. Es besteht eine gewisse herablassende Sicht auf diese ehemaligen Freunde und Familienmitglieder von Woody, was sicherlich daran liegt, dass Nebraska auch Payne’s Heimatstaat ist und er die Menschen dort etwas genauer studiert hat, als in Kalifornien oder Hawaii und sich so entsprechend an den Menschen seiner eigenen Kindheit- und Jugend rächt.
Auch die Wahl den Film in allerschönstem Schwarz-Weiß zu drehen ist kein Zufall, sondern eine Art Verneigung vor dem recht tristen Bundesstaat. Durch das schwar/weißbekommt man den Eindruck, dass sich dort nochmal alles viel langsamer abspielt, als irgendwo anders und dieser Teil Amerikas so in einer harten, aber ehrlichen Realität gezeichnet wird, die weit weg ist von dem donnernden, bunten Multimedialen Lärm der Großstädte.
Man darf an den Film keine hohen Erwartungen an oberflächlicher Unterhaltung haben, denn er ist, wie bereits erwähnt, ein bodenständiges Roadmovie, welches dem Genre mit allen Formeln und Regeln folgt. Routiniert, gelangweilt, wird der eine oder die andere sagen. Aber! Der Film ist nicht ohne Grund erfolgreich gewesen, denn er ist ungeheuerlich komisch, charmant und zum Niederknien nachvollziehbar, wenn man in einem gewissen Alter ist und sich mit den zwei Fragen beschäftigt: „Wer ist eigentlich mein Vater?“ und „Was bedeute ich selbst für ihn?“.
Die eigentliche Sensation des Filmes sind die kurzen Momente des Filmes und die Darstellung des Woodys von Hollywoodlegende Bruce Dern. Dern mit zerzaustem Haar, permanent gebeugt, mit fortschreitender Demenz erwischt, aber an den wichtigen Punkten der Geschichten präsent wie ein Raubtier, schafft es gemeinsam mit Paynes wunderbarer Positionierung des Charakters tatsächlich, die Person, die Handlung und das Fundament bzw. den Bundesstaat Nebraska miteinander zu verbinden.
Die Handlung muss als Mosaik verstanden werden, die sich durch kleine geniale Dialoge, Kameraeinstellungen und komische Situation genial zusammensetzt. So kommentiert Woody am Mt. Rushmoore fast beiläufig, dass das Ding ja noch nicht mal fertig sei, so portraitiert Paynes langjähriger Kameramann Phedon Papamichael Landschaft und Menschen streckenweise fast photographisch eingefroren und wir lachen und weinen gemeinsam mit unseren beiden Helden die am Ende des Films längst begriffen haben, dass es eben die kurzen Momente sind, die bleiben werden und die man sich gegenseitig über sich erzählt, als ein ganzes langes komplexes Leben, welches eben jeder Mensch nur für sich selbst erklären kann.
Nebraska ist ein Film zum Umarmen. Ebenso wie alle anderen Alexander Payne Filme möchte man diesen Film besitzen um ihn jederzeit wieder anzusehen oder auch nur ein paar kleine Sequenzen zu genießen. So verhält es sich mit seinen Werken, wie bei guten Büchern, die man aufbewahren möchte, damit einem die schönen Wörter und Geschichten, nicht verloren gehen.
Aus dem mittleren Westen
Alan Lomax
The Descendants - Alexander Payne - www.lomax-deckard.de
Was kaum einem Filmkritiker und -wissenschaftler aufgefallen ist! Alexander Payne hat ein großes Vorbild, welches er bisher nicht genannt hat. Es ist der Filmemacher Douglas Sirk, über den ...
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