Ray Donovan - Staffel 3
In keiner Minute der 3Staffeln von RAY DONOVAN gibt es so was wie gute Laune oder entspannte, freundliche oder liebenswerte Menschen. In jeder Sequenz tritt ein neuer menschenverachtender Charakter auf. Recht, Verbrechen und Verbrechensbekämpfung wird eins. Los Angeles wird zum Staatsgefängnis. Wer dort wohnt hat lebenslänglich und wer es mit der Familie DONOVAN zu tun hat, kann direkt in Isolationshaft gehen oder sich grillen lassen!
Die Serie RAY DONOVAN mausert sich langsam, aber sicher zu einer Edelserie á la Mad Men oder Sopranos, schafft es als bodenständiges Gesamtkunstwerk, mit seiner eindeutigen Sprache und seinen paranoiden und sexuell gestörten Antihelden und seiner durchaus unvergleichlichen Erzählkunst. Zu dem was BOARDWALK EMPIRE oder GOMORRA hätte sein können.
Bereits zu Beginn der Staffel drei zeichnet sich ab, dass das Format sich folgerichtig auf seinen tiefverstörten und von Liev Schreiber grandios gespielten Charakter des Hauptdarstellers konzentriert. Ein wichtiger Schachzug dabei sicherlich, dass viele der Nebenhandlungen einfach nicht weiter erzählt werden und Ray somit in den Fokus rückt. Natürlich ist das eine subjektive Wahrnehmung und Vorliebe, insbesondere weil die Nebenfiguren alle samt ebenso fantastisch intensiv und komplex sind wie Donovan selbst und man die Sache an sich auch so mögen würde. Ich bevorzuge aber den Pragmatismus.
Bleiben wir also bei ihm, den Übermächtigen, der in dieser Staffel seine Seele an den Teufel verkauft. Hier in Form der Familie Finney und hochkarätig besetzt mit Ian McShane und Katie Holmes. Familienoberhaupt Finney ist so etwas wie der Strippenzieher des modernen L.A.'s und führt uns subversiv das Ergebnis vor Augen, wenn einer wie Donovan den spirituellen Kontakt zu Gott sucht. Das Element Religion spielt eine wesentlich Rolle in der Serie, die ja schließlich die Familie Donovan zu dem gemacht hat, was sie hier darstellt. Schuld, Sühne, Vertrauen grandios übersetzt in harte Aussagen und Handlungsstränge, wie ich sie schon lange in der tatsächlichen Tragik einer amerikanischen Geschichte vermisst habe.
Die Bildkompositionen und die Klarheit der erzählenden Kamera lässt dabei keine Wünsche offen. L.A. erstrahlt dabei ständig, in diesem merkwürdigen diffusen und lichtdurchströmenden Lichtern, wie sie vielleicht einst David Fincher oder Michael Mann (Collateral)erfunden haben.
Und über all dem steht Liev Schreiber der keine Kompromisse zu lässt, um sich und seine Familie zu schützen, ohne zu verstehen, dass er damit mehr Schaden für sich und andere anrichtet. Ray ist verstört weil er tatsächlich und fälschlicher Weise den Satz seines gehassten Vaters (Jon Voight) aufgesogen hat, dass er von keinem geliebt wird und in seiner Selbstreflexion permanent scheitert oder aufkommend kluge Gedanken mit Literweise Alkohol runterspült.
Es ist insbesondere diese spröde spät 1960er/70er Jahre Actionheld Dimension á la Eastwood, Marvin oder eines Steve McQueen an der sich Schreiber hier bedient. Und es ist die Erwartungshaltung des Zuschauers die er permanent zerstört mit seiner Darstellung. Denn die rekrutieren sich ehr aus einem aufgeklärten intellektuellem Publikum und erwarten eine komplexe Antihelden. Aber Schreiber bleibt statisch, unnahbar, brutal, unverhersehbar und ultrabrutal. Böse Zunge behaupteten sogar, dass ein Jean-Claude Van Damme oder Jason Statham diese Rolle ebenso "ausdruckslos" hätten spielen können. Verwechselt wird hier aber Wortkargheit und die Fähigkeit Verachtung in allen Poren auszudrücken, mit der Unfähigkeit Emotionen auszudrücken. Schaut man genau hin, spürt man den Schmerz den DONOVAN tagtäglich erlebt. Und dazu muss Schrieber nur einmal kurz zucken. Atemberaubend! Präsent, in ganzer Linie! Angst! Schreiber ist ein ganz, ganz Großer!
Meet The Devil
Nach einer Folge dieser Serie fragt man sich immer wieder, was wollen die eigentlich, was erwarten diese Menschen vom Leben? Was wäre ihre Traum und wo würden sie ihre Seelenruhe finden? Und das, liebe Gemeinde, fragen wir uns doch schließlich alle, permanent.
Denn schaut man mal hinter die Fassaden des Familienlebens und stellt Menschen genau diese Frage, wird man als Antwort bekommen: Zeit für einander, wie bekomme ich Alltag und Familienleben besser unter einen Hut, mehr Zeit mit den Kindern verbringen, Geld, Gesundheit, langes Leben, blablabla.
Eine solch profane und bürgerliche Denkweise steht bei den Donovans ganz bestimmt nicht auf dem Wunschzettel! Und es besteht auch gar kein Grund dafür, erst darüber nachzudenken. Denn die Serie schafft es auf unbeirrbare Art und Weise Stellung zur gesamt Zerstörung aller Werte und Lebenshaltungen und -phasen zu beziehen. RAY DONOVAN ist brutale Anarchie und leider auch Wahrheit. Wenn man es dann so will und es annimmt, sich selbst mal fragt, was ist es denn wirklich, was ich vom Leben erwarte, von mir selbst? Überinterpretiert? Vielleicht, aber Tony Soprano ließ so viele Fragen offen, Don Draper zeigte uns einen möglichen Weg, Ray Donovan aber wird uns bestimmt keine Antwort geben. Will er auch gar nicht, erwarte ich auch nicht! Denn Männer in seinem Alter, mit seinem Status, bewegt anderes, unbestimmtes, etwas was wir nicht kennen und das macht ihn interessant. RAY DONOVAN ist Rache. Rache an Kleingeistigkeit, an vorhanden Strukturen und an nachvollziehbaren Handlungen, so wie wir sie kennen. Das Ganze aber ist so perfide versteckt, dass wir denken, es ist Unterhaltung. Wie das Leben? Wie das Leben? Nein, das ist keine Unterhaltung! Sondern ein Kampf bei dem es schon lange nicht mehr um Gerechtigkeit- und Ungerechtigkeit geht. Alles dreht sich nur noch um einen Selbst und nicht um andere. Auch wenn wir es uns nicht erklären können, aber wir wollen es verteidigen, auch wenn es noch so sinnlos ist!
Alan Lomax