Öffentlicher Brief an das Haldern Pop Festival!

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  2. Oktober 2015, 12:36  -  #Konzerte

Graue Wolken ziehen auf über dem Haldern Pop Festival

Graue Wolken ziehen auf über dem Haldern Pop Festival

Liebes Haldern-Pop,

 

Seit 1998 besuche ich Dich mit meinen Freunden. Vielleicht haben wir die schönsten Teile des Sommers der letzten 17 Jahre mit Dir verbracht. Auf jeden Fall haben wir immer Deinen Enthusiasmus und Deine Authentizität bewundert. Die Musik, die Du uns gezeigt hast, hat unsere Leidenschaft des Musiksammelns und –hörens bereichert, unsere eigene Euphorie immer wieder bestätigt. Du hast uns Musiker und Bands vorgestellt, die wir noch immer lieben und alte Helden zurückgebracht, die wir immer geliebt haben.

 

Um Dich herum hat sich in unserem Freundeskreis eine Art selbst aufgebautes Universum entwickelt. Und ja, eigentlich beschäftigen wir uns ganzjährig mit Dir. Für Dich haben wir Dinge wie Biergarnituren, Kühlschränke, Zelte, Pavillons gekauft, die sonst nie in unseren Besitz gegangen wären. Für Dich haben wir unsere Urlaub geplant, Hochzeiten verlegt, Geburten zeitlich koordiniert, Krankheiten ausgestanden, nur um Dich zu besuchen. Wir haben Dir tausende von Deutsche Mark und ebenso viele Euros geschenkt und Du hast uns immer viel zurückgegeben.

 

Dabei haben wir Dich immer bewundert. Die Schönheit der Landschaft genossen, das friedliche Miteinander gelebt und diesen einmaligen, oftmals zitierten Mythos und Verve, den Du Dir angeeignet hast, in die Welt verkauft, den Menschen davon berichtet, darüber geschrieben und Dich somit auch mit groß gemacht.

 

Irgendwann vor ein paar Jahren zogen auf einmal graue Wolken auf! Nicht wie gewohnt über dem Zeltplatz, sondern in Deinem eigenen Verhalten. Die Gründe dafür zu finden, die Ursachen zu analysieren und eine Skalierbarkeit der Negativentwicklung aufzuzeigen, soll nicht Bestandteil dieses Briefes sein. Falls aber Interesse besteht, so kann ich Dir gerne eine ausführliche Analyse anbieten. Denn neben diesem blog, bin ich Marketingberater und beschäftige mich häufig mit dem Thema Transformation von Marken und Produkten. Denn simplifiziert dargestellt unterliegst Du gerade dieser Produkttransformation.

 

Anspruch und Wirklichkeit haben Dich erwischt! Den Mythos des unverwundbaren Festivals mit Alleinstellungsmerkmal hast Du leider nicht bestanden. Die Wirklichkeit der wirtschaftlichen finanziellen Ansprüche und das damit verbundene Changemanagement, sowie die Anpassung an die technische und prozessoptimierte Wirklichkeit hast Du leider verschlafen. Kundenbindung? 

 

Und somit muss ich Dir leider eine Selbstgefälligkeit und Amateurhaftigkeit attestieren, die vielleicht vor 10 Jahren seinen Reiz ausgemacht hat und für Deine Verteranen aber unzeitgemäß ist.

 

Obwohl wir nachts für Dich aufstehen, um Deine Eintrittskarten abzufordern, werden wir beim Kartenkauf nicht zugelassen. Mit anderen Worten: Kunden, die Dir seit 17 Jahren treu ergeben sind, enttäuscht Du damit, dass sie nicht mehr zu Dir dürfen, weil Dein Ruf größer geworden ist, als Deine Kapazität.

 

Enttäuschend dabei ist insbesondere Deine Kommunikationspolitik. Preiserhöhungen werden einseitig und in nicht richtiger Form kommuniziert. Sinngemäß erzählst Du uns, dass eine Preiserhöhung nun notwendig war. Dabei bist Du jedes Jahr teurer geworden. Was ich nachvollziehen kann und jeder andere auch der etwas betriebswirtschaftlich denkt. Da dies nun mal eine Entwicklung ist, die wir alle nicht aufhalten können. Denn wie lässt sich sonst erklären, dass Du vor 9 Jahren noch ca. 55 EURO gekostet hast! 

 

Entscheidungen, die Du für Dich selbst getroffen hast, wie z. B. den Vorplatz der eigentlichen Hauptbühne mit Spiegelzelt und Rummelplatzatmosphäre in den Fokus zu rücken, weitere Infrastrukturen wie Popbar, Label, Tonstudio, Kirche mit einzubeziehen, um Dich zu diversifizieren oder Bookings von Bands vorzunehmen, die wenig nachvollziehbar sind, möchte ich Dir  trotzdem nicht ankreiden, da dies in Deiner kuratorischen künstlerischen und infrastrukturellen Hoheit liegt und ehrlich gesagt ja auch immer subjektiver Empfindung ist. 

 

Und ja, es ist die Essenz dieses Briefes! Ich bin nun 45 Jahre alt. Mit 28 Jahren habe ich Dich kennengelernt. Wir alle haben uns verändert. Und das ist auch gut so. Und wir alle haben viel dazu gelernt. Dennoch suchen wir alle natürlich, oftmals vergeblich, das Bekannte, das Unveränderte, aber zumindest den Zauber der alten Tage.

 

Trotz aller Kritik haben wir immer zu Dir gehalten. Auch bei einem schlechteren Line-Up haben wir versucht, Milde, Toleranz und Verständnis zu zeigen. Haben uns dann auf die Suche begeben, Neues zu entdecken. Trotz aller schwierigen Umstände, denn auch wir haben uns wie gesagt verändert, haben Kinder bekommen, Häuser gebaut, durften auf einmal weit weg und lange in den Urlaub fahren, werden älter, bekommen Krankheiten und natürlich –noch gar nicht berücksichtigt- die immer aufrecht gehaltene Fackel der Jugend und der Leidenschaft für die Musik, nichts hat uns davon abgehalten, Dir zu vertrauen, bei Dir das zu suchen, was wir vielleicht alle ein wenig verloren haben und um es einfach auf den Punkt zu bringen: Dir die Treue zu halten.

 

Und um es auch letztendlich auf den Punkt für mich zu bringen: Warum dürfen wir Dich nun nicht mehr besuchen? Obwohl wir mitten in der Woche nachts, neben zahlreichen privaten und beruflichen Verpflichtungen, an unseren Rechnern saßen und keine Karten mehr abgekommen haben! Das, liebes Haldern, ist doch wohl nicht Dein Ernst!?

 

Behäbig denkst Du, dass ja da noch Karten in den Vorverkauf im Januar kommen!? Aber denkst Du nicht, dass auch wir planen müssen! Eben weil wir noch älter als Du sind und noch behäbiger und vielleicht noch weniger flexibel!

 

Denk Dir bitte etwas aus! Sonst verlierst Du uns! Und wir verlieren Dich!

Alan Lomax

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