The Roger Cicero Jazz Experience
Ach Mensch, so ein Roger Cicero hat es auch nicht einfach! Er hat Talent, er hatte Erfolg und ganz bestimmt ist er ein sympathischer Typ. Aber in diesem Land, hat jemand wie er eigentlich nur geringe Chancen die künstlerische Anerkennung zu bekommen, die ihm vielleicht zustehen würde. Einerseits verfolgt ihn die Jazzpolizei, andererseits werden Scharen von Hörern(-innen) der musikalischen Mitte ihn in die Jazzwüste senden, wenn er nicht bald wieder seinen hybriden Schlagerzustand herstellt. Und das meine ich persönlich gar nicht despektierlich, sondern nur deskriptiv.
"Duke Ellington sagte, dass es nur zwei Arten Musik gäbe: Gute und den ganzen Rest.", schreibt Cicero selbst, einleitend über sein Jazz Experience und meint damit das unersättliche Verlangen nach Musik und die beständige Ausschau nach Anknüpfungspunkten des Jazz-Giganten! Also die leidenschaftliche Verflechtung von Musikgenres. Cicero begrüßt das und teilt diese Idee offensichtlich mit dem Genie. Zweifelsohne meint er somit eine Genreüberschreitung und ein bloß nicht aufkommendes Schubladendenken.
Das beweist er zumindest mit der Songauswahl auf diesem Album. Man findet dort z. B. Nick Drakes unglaubliches FROM THE MORNING, neben 50 WAYS TO LEAVE YOUR LOVER von Paul Simon und ebenso THE LONG AND WINDING ROAD von den ewigen Beatles.
Für Cicero ist es die nachvollziehbare künstlerische Freiheit und ein musikalische Abenteuer seine (und die der hervorragenden Band) Lieblingssongs neu zuinterpretieren. Bei seinem Stammpublikum gab es erst eine "gewisse Zurückhaltung" und zumindest "trat niemand den Heimweg enttäuscht oder unglücklich an". Bei der Jazzpolizei wird es Vorbehalte gebe, da dort insbesondere Neid gegenüber deutschen Jazzmusikern besteht, die ehr Vertrauen verdient hätten und ich persönlich bin ehr gelangweilt.
Die Interpretation der guten Songauswahl ist zwar streckenweise sehr geschmeidig und die Combo ist als Format nachvollziehbar und auch hörenswert was die Qualität der Musiker und den freiheitlichen Gedanken angeht. Vorwerfen darf man hier keinem was, aber eine gewisse Langweile entsteht doch, eben weil die Interpretationen zu schwach sind oder die künstlerischen Visionen zu gering.
Trotz der interessanten Bandbreite ist die Auswahl der Songs nicht klug genug und eben auch nicht aufmerksam stark genug, als dass es dort eine Nachhaltigkeit gibt die CD ein weiteres mal aufzulegen. Zumindest was meinen Player angeht.
Total subjektiv. Jazzeinsteigern, -hasser oder Hintergrundhörern ist dieses Album allerdings sehr zu empfehlen. Roger Cicero und seinen Musikern wünsche ich allen Erfolg der Welt.
Alan Lomax
THE ROGER CICERO JAZZ EXPERIENCE / VÖ: 02.10.2015 (wavemusic)