Dr. Dre – Compton

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  28. August 2015, 12:34  -  #Populäre Musik

Dr. Dre – Compton

Ja, es ist wiedermal ein Rap-Album welches mich dieser Tage fasziniert und mich dazu bewegt, etwas drüber zu schreiben. Woran liegt es? Obwohl derzeit so viele tolle Schallplatten aus der ganzen Welt der Musik, das Licht erblicken! Die Antwort ist diesmal einfach:

Bei diesem 16 Songs umfassenden Werk handelt es sich um ein extrem düsteres und aggressives, autobiographisches Werk des André Romell Young, auch bekannt als Dr. Dre.!!! Und der Mann ist nicht nur eine musikalische Legende, sondern eine Art Stellvertreter, vielleicht Bewahrer des Genres. 

Compton ist ein Vorort von Los Angeles. Der Ort ist bekannt für die Straßenkriege der Banden Crips und Bloods und seine oft zitierte hohe Kriminalität. Vielleicht ist Compton die Heimat des Gangsta-Raps! Wie auch immer, der kleine André, ist in diesem Panoptikum für Soziologen und von Politikern als Schmelztiegel bezeichneter Gegend, aufgewachsen.

Das Drogengelder auch sinnvoll angelegt werden können wissen wir seit der Serie Weeds. Der Klein-Dealer und spätere Rapstar Eazy-E, O’Shea Jackson (der als Ice Cube Karriere machen wird) und der kleine André nutzt auf jeden Fall die Kohle, ließen Drive-By-Shootings, Dviven-By-Shootings sein und nahmen als N.W.A (Niggaz with Attitudes), eine der wichtigsten Alben der jüngeren populären Musikgeschichte auf. 

Das halb-gare Szenario, aus knallharter Realität und brutalem Mythos, wurde eine geniale unerforschte Marke. Der kleine Andre wurde Dr. Dre, der angesagteste Musikproduzent der Welt und wahrscheinlich einer der reichsten Männer der Welt. Im letzten Jahr hat er seine Kopfhörerfirma BEATS für 4 Milliarden Dollar an Apple verkauft.

Dre ist den USA für die Kids mehr als ein Popstar. Er ist eine Legende! Nicht zu letzt auch wegen seinen wirtschaftlichen Erfolgen wird er als Vorbild gesehen und man könnte mehr als 1.000 Zeilen schreiben, wie seine kapitalistische Haltung die Gesellschaft anstößt, aber zumindest die schwarze Jugend positiv prägt.

Dieser Lebenslauf ist natürlich eine Sache, seine Haltung eine andere und die Perspektive die man selbst einnimmt, ist wie immer, auch eine andere.

Wir konzentrieren uns auf Talente und Kunst und Leidenschaft und da empfehle ich doch mal genauer hinzuhören. Dr. Dre hat zweifelsohne ein musikalisches Talent und einen Hang zu innovativen Sounds und umwerfenden nie gehörten Beats bei seiner eigenen Musik, aber auch bei seinen Jüngern, wie z. B. Eminem oder natürlich -aktuell- Kendrick Lamar. Alle genreweisenden Meisterwerke die dazwischen liegen, sollten von Musikenthusiasten entdeckt und verehrt werden.

Bleiben wir bei der aktuellen Scheibe, die den HipHop und Rap Fans Tränen in die Augen treiben wird und die anderen mit auffallend erlesen Beats und gewandten Sounds überzeugen wird. 

Yachtjazz und Fusion ist derzeit unglaublich angesagt. Etwas was ich nie gedacht hätte, als ich Ende der 1980er Jahren Bands und Musiker wie Tom Scott, Weather Report, Crusaders, The Isley Brothers oder Steely Dan gegen gleichaltrige Groschensucher-Epigonen verteidigen musste.

Das Intro auf dem Compton-Werk, dürfte dann auch für regional Interessierte L.A.-Fans und Soziologen aufhören lassen. Eine Nachrichtenmann klärt uns Nicht-Dorfbewohner auf, dass Compton inzwischen zu einem kleinbürgerlichen, schwarzen, aber sauberen Vorort aufgestiegen ist.

Thematisch folgt die Scheibe den Traum vom Ausbruch aus dem Ghetto, bevor Dr. Dre anfängt seine Karriere retrospektiv zu umschreiben. „Der Spiegel“ hat die Scheibe vom inhaltlichen Verlauf, völlig richtig mit Scorseses Masterpiece GOODFELLAS verglichen. Denn die genialen Raps und komplizierten Gesangseinlagen, klingen nicht nur fantastisch, sondern sie sind tatsächlich wie ein Hörbuch oder einem gepflegten Bühnenstück zu verstehen, teilweise sogar dialogisch aufgebaut. Die Texte machen Sinn, stehen im Zenit der unfassbaren Klangwelt und tatsächlichen Realität auf den Straßen.

Extrem verstörend dabei ist der Song LOOSE CANNONS in dem XZEBIT, COLD 187um, SLY PYPER eine Frau ermorden und darüber diskutieren, wie die Leiche beseitigt werden kann.

Die Trap-Beats und gepitchten Stimmen erinnern dabei an ein visuelles, vergleichbares Werk, welches im direkten Vergleich zur genialen TV-Serie AMERICAN CRIME (eine Review finden sie auf diesem Blog) steht. Denn Dre dokuemntiert hier und stellt nichts zur Schau. Wie denn auch bei der unendlichen Brutalität die einem normal denkenden und handelnden Menschen in einen Schockzustand versetzt. 

Wie auch immer man zur klassischen Epoche des HipHop steht, an Dr. Dre kommt man nicht vorbei. Er hat überragende musikalische Platten produziert, die genreübergreifend Generationen von Musikern beeinflusst haben. Und das ist gerade das präzise an diesem Album: Selbst Old School Polizisten werden Freude an diesem Album haben, denn Dr. Dre schaut rückblickend auf den HipHop seiner Zeit und verbindet die Epoche der coolness, dem Jazz, dem Fusion, dem Soul und dem Crunk der heutigen Zeit.

Kendrick Lamar hat mich zu Beginn des Jahres (lesen Sie hier auf diesem blog nach) zu Tränen gerührt und seine Platte bewegt mich noch immer tief. Aber Compton ist ein Genre-Meilenstein, etwas Bleibendes, ein Denkmal für diese Musik und diese Subkultur.

Und wenn Sie das alles nicht nachvollziehen können, denken Sie immer daran: „Von einem Arzt kann man nicht erwarten, daß er Gesunde sympathisch findet."

Alan Lomax

 

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