Charles Aznavour - Encores
Avec Benjamin Clementine lors de l’enregistrement de la chanson “You’ve got To Learn” (Il faut savoir), extraite de l’album “Encores” à paraitre le 4 mai 2015. Ce sera le 51e album studio français de Charles Aznavour. © Marc Di Domenico 03/2015
Eine 83 Jahre andauernde Karriere!
Charles Aznavour hat diesen tiefen und ehrlichen Blick, dazu ein verschmitztes Lächeln und er rühmt sich damit, denselben ambivalenten Charakter zu haben, den alle bedeutenden und großartigen Männer haben: den Pragmatismus eines Maestros und die Sorgenfreiheit eines Schuljungen.
Der 91 Jahre alte Schauspieler wirkte in über 70 Filmen mit und veröffentlichte 51 Alben. Mit ENCORES kommt nun das erste Album, für das der Chansonnier das erste Mal seine selbst geschriebenen und getexteten Lieder arrangiert hat.
Ein Grund sich einmal etwas intensiver mit diesem scheinbar ewig jungen Optimisten zu beschäftigen:
Aznavour wurde am 22. Mai 1924 in Paris geboren. Eine schwierige Zeit unter prekären Bedingungen. Seine Eltern strandeten in der französischen Hauptstadt, eigentlich wollten sie sich als Künstler in den USA einen Namen machen. Paris wird die neue Heimat. Der kleinwüchsige Charles wurde von Regisseur Jean-Pierre Mocky entdeckt, nach einigen Filmen drehte der Chansonnier „Schießen Sie auf den Pianisten“ mit Francois Truffaut. Erst Mitte der 1960er Jahre kam auch der internationale Erfolg als Sänger. Die „Marke“ Aznavour hatte Zeit, sich zum Weltstar zu entwickeln und zur Legende zu werden.
Den Kontakt zu dem Herkunftsland seiner Eltern hat er nie abreissen lassen. Im Jahr 1998 wurde ihm nachträglich die armenische Staatsbürgerschaft verliehen. Bis heute ist Aznavour armenischer Botschafter in der Schweiz und setzt sich für Menschenrechte für UNICEF ein.
„Ich bin kein großer Träumer. Ich bin eher ein Macher“, sagt Aznavour in einem aktuellen Interview. Und somit ist Aufhören keine Option für den rüstigen Senioren. Ein guter Ruhestand bedeutet, nicht im Ruhestand zu sein. Der Titel „Zugabe“ steht somit wohl auch eher für immer andauernd, für immer und immer wieder, als für eine einmalige Sache.
Eine einmalige Sache aber bleibt der französische, zeitgemässe Chanson. Denn neben den verschiedenen Farben der Melancholie muss er textlich auf den Punkt kommen und das gelingt Aznavour am besten in dem kurzen, aber nachhaltigsten Song „Avec un brin de nostalgie“, indem sich Aznavour stimmungsvoll und überwältigend auf die verschiedenen Farben der Melancholie konzentriert.
Der größte Geniestreich und gleichzeitiges großes Symbol für die akzeptierte Zerbrechlichkeit, bei der Zusammenarbeit von zwei Künstlern, ist das Duett mit Benjamin Clementine bei „You’ve Got To Learn / Il faut savoir“. Der junge Clementine bewundernd, der ältere Aznavour fürsorglich, beide zusammen vergessend, dass es vielleicht stimmlich nicht passt. Sensationell ehrlich, offen, stark und authentisch. Schauen Sie sich nur dieses großartige Bild am Anfang von diesem Eintrag an!!!
ENCORE stellt ganz klar Aznavours ungewöhnliche Stimme in den Vordergrund. Frühere Kritiker beschimpften diese, weil diese eben nicht variabel ist und vielleicht auch nicht unbedingt vielseitig. Zugegeben, es stimmt, aber: In einem Interview mit SPIRIT-EIN-LÄCHELN-IM-STURM-Herausgeber Marc Hairapetian, antwortete der Weltstar auf die Frage: "Was einen guten Sänger ausmacht": „Ich weiß gar nicht, ob ich im klassischen Sinne ein "guter Sänger" bin. Wichtiger als die Schönheit der Stimme an sich, ist ihr Ausdruck und wie man ein Lied interpretiert, es mit Leben füllt. Ich habe immer versucht, persönliche, intime Geschichten mit meinen Liedern zu erzählen, egal ob sie von mir geschrieben wurden oder beispielsweise von meinem bereits 1993 verstorbenen Schwager Georges Garvarentz. Das kannte man in den USA so nicht - und vielleicht wählte man mich deshalb seinerzeit auf Platz Eins, wo ich eigentlich Frank Sinatra an der Spitzenposition erwartet hatte.“ http://www.spirit-fanzine.de/interviews/texte/Charles_Aznavour.html
Wissen Sie? Ich habe auch nicht viel Zeit! Und ich habe viele Interessen! Aber ab und zu, setze ich mich durch! Dann setzte ich mich hin und schaue mir einen alten Film an, sehe mir ein Jazzkonzert im Internet an oder lese ein paar Seiten in einem Buch, dass ich schon immer mal lesen wollte. Manchmal schalte ich das Radio aus und lege eine gewaltige Filmmusik ein, oft schalte ich die Glotze aus und denke einfach nur nach.
Und genauso sollte man es mit diesem Album machen. Hören Sie mal wieder französischen Chanson. Schwelgen Sie in Freude oder Schießen Sie auf den Pianisten.
Aus dem lateinischen Viertel!
Alan Lomax
Das Album „Encores“ von Charles Aznavour erscheint am 08.05.2015 bei Barclay/Universal