Orange Is The New Black / Weeds - Jenji Kohan
Neben Dave Chase (Sopranos), Matthew Weiner (Mad Men), Robert Kirkman (Walking Dead) und Vince Gilligan (Breaking Bad), vielleicht Julian Fellowes (Downtown Abbey) und Paul Abbott (Shameless), muss man nun auch die amerikanische Drehbuchautorin Jenji Kohan nennen, wenn es darum geht die bedeutsamsten Pioniere der neuen amerikanischen Serienkultur aufzuzählen.
Die in L. A. geborene 46-jährige ist als Showrunner für die beiden Ausnahmeserien WEEDS (2005-2012) und der NETFILX-Eigenproduktion ORGANGE IS THE NEW BLACK (2013 - heute) verantwortlich und somit eine der wenigen weibliche Vertreterin unter den Drehbuchschreibern.
Begonnen hat sie mit ein paar Folgen für den FRESH PRINCE OF BEL AIR und den Mädchenserien WILL & GRACE und GILLMORE GIRLS. Für SHOWTIME entwickelte Kohan dann die acht Staffeln lange Seriensensation WEEDS und brilliert nun seit einiger Zeit mit der Gefängnisserie ORANGE IS THE NEW BLACK.
Sieht man die ersten Folgen WEEDS denkt man: „nette Unterhaltung“! Nach einem ziemlich normalen Einstieg, entwickelt sich das Treatment zu einer undenkbaren Ausuferung der Ereignisse, bei der selbst die famosen Farrelly Brüder vorm Bildschirm gesessen haben dürften, um verständnisvoll, aber staunend den Kopf zu schütteln. Natürlich ist nicht Kohan’s liberale Haltung zum Thema Legalisierung des Marihuanakonsums der Kern der Serie, sondern ehr die Umstände die sich daraus ergeben.
Ihre Hauptfigur Nancy Botwin entwickelt sich im Laufe der Staffeln zu einer Art neuer Frauentyp Nancy muss sich um alle Belange ihrer Familie kümmern, da ihr Mann zu früh verstorben ist. Man könnte von Doppelbelastung sprechen. Nancy entdeckt, dass man mit dem Handel von Marihuana gutes Geld mit geringem Aufwand verdienen kann, unterschätzt aber am Anfang die Komplexität des Vertriebs und der Mitwettbewerber.
Nancy ist hübsch, schlau, eloquent und ehrgeizig. Hat aber auch etwas von dieser Art Frauen, mit denen man ehr ein Bier gehen will, als Champagner. Sie ist nicht gerade wild, hat aber eine durchaus liebevolle Art und Weise, diese schwer zu beschreibenden Art des destruktiven Punkrocktums. Die Art von Mutter -halt- mit der man sich auf Spielplätzen lieber unterhält, als mit den anderen Fürsorglichen Müttern.
Der Verlauf der sieben Staffeln ist komplett unvorhersehbar: Ab der vierten Staffeln wechselt nicht nur das bereits etablierte Set-Up, sondern es gibt einen kompletten Storybreak, der sich mit fast „Mad, Mad, Mad World“-Ähnliche (Stanley Kramer Film) Sequenzen zu einem Roadtrip entwickelt, der sogar über Dänemark verläuft, letztendlich in ähnlicher Umgebung endet, wo die Geschichte begann. Allerdings mit dem Unterschied, das alle Protagonisten um 10 Jahre gealtert sind und wahnsinnige Abenteuer erlebt haben. Sehen Sie hierzu unbedingt das o. s. Intro, welches den gesamten Verlauf von Weeds zusammenfasst, ohne zu spoilen! Die Menschen die sie getroffen haben sind durch die Bank weg verrückt, und sympathisch. Auch die größten Vollidioten, Gangster und Drogendealer werden immer von Kohan als liebeswert dargestellt.
Man kann sich dieser Serie nicht entziehen, wenn man erst einmal angefangen hat, da sie besondere, einzigartige Momente hat und nie vorhersehbar ist. Insbesondere die Identifikation mit allen Figuren der Serie ist enorm hoch. Kohans Prinzip ist zu gleich ihr Geheimnis. Sie gewinnt jeder Figur etwa positives ab, verurteilt nie, stellt kein schwarz oder weiß, schwul oder hetero, kein mexikanisch oder jüdisch dar, sie hinterfragt den Menschen, ihrer Beweggründe und verleiht ihnen eine Extraportion Komik. Denn die Welt da draußen ist hart genug, die Urteilenden boniert und blöd genug. Die will sie uns nicht noch in ihren Geschichten zeigen.
Ähnlich verhält es sich mit den Damen und Herren im Frauengefängnis von New York, in das Piper Chapman zu 15 Monaten Haft verurteilt wird. Die bisexuelle ansonsten recht gewöhnlich lebende Piper hatte nach dem College ein wenig Drogen geschmuggelt und muss nun 10 Jahre später ins Gefängnis.
Die Geschichte ist extrem clever mit sehr vielen Rückblenden, aber auch Verflechtungen in die Außenwelt erzählt. Das Wort Political Correctness gibt es in Jenji Kohan’s Welt nicht. Der Binge Watching Effekt ist extrem hoch! Vorsicht! Denn trotz durchaus vorhandenen dramatischen Handlungssträngen steht der schwarze Humor und die unterhaltsame Geschichte im Vordergrund.
Diese Geschichte basiert übrigens auf den Erzählungen der echten Piper Kerman, deren fiktionaler Teil ihres Lebens, sie scheinbar zu einer neuen Frau gewandelt hat. „Meine gesamte Karriere findet unter dem Motto: „Leck mich!“ statt, sagte Kohan in einem Interview. Und sie schlachtet gerne heilige Kühe (Spiegel).
Alan Lomax