The Hunger Games: Mockingjay – Part 1
Ich verstehe Kinokritiker nicht immer! Klar, sie müssen etwas mit Substanz schreiben und natürlich etwas, was sie selbst über den Mainstream erhebt. Leider vergessen sie dabei meist zwei Attribute: Die Liebe zum Kino und die Entspannung gegenüber dem Zeitkolorit und sich ständig verändernde Marketingmaßnahmen.
Denn Hollywood gibt sich Mühe, Gevatter Kino nicht sterben zu lassen. Ständig werden neue Formate für neue Zielgruppenmodelle (im Vorliegenden Fall primär weibliche Teenager) entwickelt.
Was die große Erzählung über mehrere Teile angeht, kann man natürlich über ein Geschäftsmodell sprechen, über einen Ausverkauf, über eine Sinnhaftigkeit sarkastisch sinnieren, wie Kollege Rick Deckard hier z. B. : http://www.lomax-deckard.de/2014/11/mockingjay-was-bedeutet-das.html oder sich über die Variation alter Muster beschweren.
Ich persönlich bin darüber hinweg. Massenkultur funktioniert nun mal so, denke ich mir, finde mich damit ab und genieße die wenigen guten Augenblicke, die mir dabei geliefert werden.
Und bei aller Kritik, des ewig gleichen, sollte man doch einfach mal versuchen die Dinge von der anderen Seite der Macht zu betrachten und daher mal versuchen, warum dieser Film funktioniert und dabei sehr gut ist.
Die oberflächlichen, einfachen Gründe dafür liegen auf der Hand, sind aber wie immer subjektiv und in einigen Zeile zu beschreiben: Die Regie von Francis Lawrence ist zeitgemäß schnell, unkompliziert und trotzdem verhaftet in den Regeln des klassischen Dramas und der ewigen Odyssee. Die Besetzung ist grandios und stillt den Bedarf des erwachsenen Publikums nach guten Schauspielern. Insbesondere die Glaubwürdigkeit von Hoffman, Wright, Sutherland und insbesondere Julianne Moore scoren den Film permanent nach oben. Merkwürdiger Weise sind Kamera(z.B. ist die Hirschjagd aus katastrophalen Perspektiven aufgenommen) , Effekte und Musik ehr Durchschnitt und vielleicht der Grund dafür, dass man bei diesem Teil, nicht von einem Meilenstein sprechen kann.
Denn zwischendurch ist die Empfindung und die aufrichtige mächtige metaphysische, fast magische Kompetenz der Katniss Everdeen = (!!) Jennifer Lawrence, so groß, dass man sich wünscht sie wäre Alltag und keine Mystik.
Das berührende an diesem 3 Teil bzw. ersten Teil der Tribute ist, dass sich Danny Strong (Drehbuch) bzw. Lionsgate als ausführendes Studio dafür entschieden haben Katniss als Charakter weiterzuentwickeln und dem Publikum Zeit lässt, diese Umwälzung auch zu verstehen. Denn das kleine kämpfende Mädchen aus den Hungergames, wird zu einem Vorbild, einem Personenkult für die Propaganda der Distrikte fortgebildet, lernt aber auch selbst, dass der Einfluss der Massenmedien keine Mythologie, sondern eine Ideologie ist. Es kann ja somit nicht verkehrt sein, wenn die jüngere Kinogeneration das versteht. Denn die stattfindenden Rebellion und die Tragik der Geschichte, wird komplett unironisch und ernsthaft vorgetragen. Somit wird nicht nur das Gehirn der Zuschauer aktiviert, sondern auch der Gerechtigkeitssinn des Herzens eines jeden erreicht.
In den besten Sequenzen des Filmes habe ich tatsächlich alles um mich herum vergessen und nicht weiter darüber nachgedacht, in welcher modernen Erzählung zuletzt, ein solch starker Charakter wie Katniss Everdeen erfunden wurde. Stan Lees Ideen sind ja nachweislich viel älter.
Wirklich grandios im Verlauf der gesamten Reihe aber ist der Genrewechsel hin zum Kriegsfilm. Dieser Film ist politisch und subversiv. Ebenso rasant wie sich Katniss von der romantischen Jägerin zu einer tapferen Kriegerin entwickelt hat, hat sich die gesamte Reihe von einem Neo-Noir-Fantasy-Spektakel zu einem handlungsreifen Spiel entwickelt, welches sein junges Publikum ernst nimmt und zu dem eine kluge Botschaft vermittelt.
„Wenn wir brennen, brennen Sie mit!“, sagt Katniss in einer Schlüsselszene zu Donald Sutherland aka. Präsident Snow. Wir sehen dabei 120 Minuten fast nur dunkel, da der Film weitestgehend in Distirikt 13 spielt, der genial und geheim unter der Erde angesiedelt ist. Das macht den Streifen noch düsterer und so gelingt er dann auch definitiv als Vorspiel zum sicherlich sehr laut tönenden und gewaltsamen letzten Teil.
Das Kriegsfilme grundsätzlich das Genre der lauernden Grundspannung inklusive all‘ unserer Hoffnungen und Ängste sind hatte ich bereits hier geschrieben:
Ob der grundlegende Wandel des Kinos nun eine Kinomoderne ist oder nur eine sonderbare Marketingdiversifikation bleibt abzuwarten. Abenteurertum im amerikanischen Kino ist von je her vom Gesellschaftlichen Wandel und der Politischen Weltsituation abhängig gewesen. Bis der nächste Crash kommt, wird weiterversucht das Undarstellbare darzustellen. Somit bleibt das interessante Kino bis zu dem Punkt immer vorhersehbar. Das stört die Kritiker, aber nicht den Zuschauer. Oder setzt auch konsequente Stilbrüche! Das liebt der Kritiker, aber nicht der Zuschauer.
Auch an diesem Film scheiden sich die Filmgeister! Was im Prinzip auch in Ordnung ist und sowieso eine Frage der Perspektive ist und nicht der Ästhetik.
Mockingjay - Part 1 allerdings ist ein zeitreifes Juwel der Gesichtslosigkeit. Und zwar nicht weil der Streifen keinen Charakter hat, sondern weil abzuwarten bleibt, ob sich der Streifen zu einem Klassiker entwickeln kann und somit genügend künstlerische Substanz hat. Einzig und allein, dass bleibt die Frage und bis dahin erfreuen wir uns an Jennifer Lawrence und Ihrer grandiosen Darstellung als Katniss Everdeen.
Aus Distrikt 5
Alan Lomax