Gute Platten 2014

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  19. Dezember 2014, 12:01  -  #Populäre Musik

Gute Platten 2014

Die Idee für diesen Eintrag ist mir gerade gekommen, als ich mit ein paar Kollegen beim Rauchen stand und wir uns über die Musik des Jahres unterhalten haben. Als Blogautor neige ich dazu über die Veröffentlichungen zu schreiben, die einen ganz besonders beeindrucken. Leider bleibt da so viel gute Musik unerwähnt!

Daher habe ich mich nochmal durch den Haufen an Musik gequält der mir in diesem Jahr so über den Weg gelaufen ist, geblieben ist und Gehör finden sollte.

Suchen Sie also noch ein schönes musikalisches Album für Ihre Lieben oder sich selbst, dann lesen Sie doch mal die folgenden Kurzbesprechungen und hören Sie anschließend, ob da noch etwas für Sie dabei sein könnte...

Ben Howard – I Forget Where We Were

Referenzsong: I Forget Where We Were!

2012 überzeugte der Engländer direkt bei seinem ersten Deutschland Auftritt beim Haldern Pop Festival, mit seinen schwermütigen Songs und seiner außergewöhnlichen Spieltechnik auf der zumeist genutzten akustischen Gitarre. Das Wort und die Genrebezeichnung „Folk“ kann inzwischen niemand mehr hören. Und die ewigen Vergleiche mit den ewig gleichen Vorbildern (Dylan, Mitchell und Drake) langweilen nicht nur die Leser von Plattenbesprechungen, sondern auch deren Autoren.

Eingeweihte Musiknerds sind natürlich erstmal grundsätzlich skeptisch. Hört man allerdings sein zweites Album, bestätigt sich die Vermutung, dass man es hier mit einem genialen Ausnahmetalent zu tun hat. I FORGET WHERE WE WERE zeichnet sich durch Wohlklang, Handwerk und Genialität aus.

Clean Bandit – New Eyes

Referenzsong: Dust Clears

Diese Elektropopband hat ein Imageproblem. Denn die Musiker vermischen Klassik mit Elektropop. Was eigentlich immer fürchterlich sein muss und direkt ehr an die zweifelhafte Kunst eines holländischen Geigers erinnert, als an die coole, nerdige Lässigkeit eines Daniel Victor Snaith (Caribou). Zudem hatten die vier Musiker mit „Rather Be“ einen sehr erfolgreichen Dancefloor-Hit, der auch dort funktioniert, wo Musik permanent aus dem Radio dudelt.

Natürlich wird man so nicht im wichtigen Feuilleton der Kulturjournale besprochen, findet also im anspruchsvollen Musikplattensammelbereich nicht statt. Schade, denn die Musik von Clean Bandit, ist alles andere als Mainstream. Generell ist es ja dann auch so, dass Tanzmusik nicht wirklich als intelligent wahr genommen, wird. Ein Grusel diese Band, also für jede Plattenfirma, wenn sie nicht noch ein paar Hits rausspukt und somit als ewige Lebenslast „One Hit Wonder“ abgelegt wird.

Wie geht man nun also um mit dem Album NEW EYES. Nun zuerst sollte man verstehen, dass das hier kein Kammerpop ist, sondern die Streicherakzente integraler Bestandteil der Fusion sind. Als zweite Referenz kann ich hier entspannt den Song „A + E“ nennen. Genial, wird ein altes Kirchenlied „O Haupt voll Blut und Wunden“ in ein famoses Stück Elektrokomposition zerlegt und wieder zusammenschraubt. Beeindruckend!

Allo Darlin‘ – Europe

Referenzsong: Capricornia, Let’s Go Swiming

Die Band aus London wird von einer bisherigen Kleinstgruppe verehrt, wie Heilsbringer des Pops. Ich bin erst etwas später hinzugestoßen und habe bisher nur das 2012er Album „Europe“ gehört. Aktuelles gibt es auch: WE COME FROM THE SAME PLACE ist im Oktober erschienen.

Allo Darlin‘ kann man nicht, nicht mögen. Ausgeschlossen, wenn man auch nur ein Teil in sich trägt der positiv ist und sich daran erfreut wie schön die Welt sein kann. Bei der Musik der vier kommenden Indipophelden geht es um nicht mehr als zuckersüße Songs, um Freundschaft und sehr viele gute Momente am See, mit Freunden und sich selbst.

Sonic Highways – Foo Fighters

Referenzsong: Somtething From Nothing

Im Prinzip ist Dave Grohl auf den Spuren von Alan Lomax (Namensvater von mir) unterwegs. Mit seinen Foo Fighters erforscht er die Historie der jüngeren amerikanischen Musikkultur und lässt uns daran visuelle und akustisch teilhaben.

Herausgekommen ist die wohl erwachsenste, aber auch humorloseste Platte der Amerikaner. Grandiose Gitarrenarbeit, professionell durchdachtes Konzept und cool bis zum Anschlag. Für viele wird das aber zu rockig sein, vielleicht auch zu überraschungsfrei! Ich persönlich halte die Foo Fighters derzeit für die größte Rockband der Welt.

Aphex Twin – Syro

Referenzsong: fz pseudotimestretch+e+3(138.85)

Nix für die Liegewiese, null Wiedererkennungswert, für viele Wirr und zu experimentell. Für andere das El Dorado des synkopierten Backbeats. Für mich eine interessante Platte und Status Quo der elektronischen Musik 2014.

Vorsicht als Geschenk ungeeignet, es sei denn Sie möchten mal so richtig auf den Putz hauen und zeigen, dass Sie noch immer Bestandteil der Wissenden sind. Fangen Sie die Diskussion unter dem Weihnachtsbaum mit: „Was hätte Stockhausen gesagt…“ an

AM & Shawn Lee – La Musique Numerique

Referenzsong: Steppin‘ Out

Natürlich ist der Referenzsong der Coversong von, Joe Jacksons, ewiger Hymne der Großstadt. Shawn Lee hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Nummer mit exakt den gleichen Sounds und original verwendeten Instrumenten (1982) neu einzuspielen. Dennoch ist eine neue Version entstanden.

Shawn Lee ist ein Multitalent und einer der interessantesten Künstler des Planeten. Leider auch einer der unbekanntesten. Man hat fast den Eindruck, dass alles was der Multi-Instrumentalist anfasst ein Geniestreich ist, aber eben deswegen erfolglos bleibt. Lee’s Output ist enorm und so hat man den Eindruck, dass er monatlich ein Album veröffentlicht. Wenn auch nicht immer unter seinem richtigen Namen.

Vor ein paar Jahren hat dieser Blog ja aufgedeckt, dass hinter der Kunstfigur Clutchy Hopkins, auch Shawn Lee steckt. Nach dem die Beastie Boys uns deswegen allerdings verklagt haben, wurde das Thema kaum noch erwähnt! Von einem Prozess wurde abgesehen, ein geheimes Konzert wurde organisiert.

Mit LA MUSIQUE NUMERIQUE kann vieles wieder anfangen. Wie auch immer! Es bleibt das geheimste und daher unbekannteste Album des Jahres. Die Musik ist sehr catchy, sehr Tanzbar und verdächtig genial.

Conor Oberst – Upside Down Mountain

Referenzsong: Time Forgot

Es ist merkwürdig, wie wenig über dieses Album gesprochen wird. In vielen von mir gelesenen Listen, taucht es auch nicht auf. Dabei ist es das wohl feinste, gradlinigste und somit formellste Album des Dichters Conor Oberst.

Das inzwischen sechste Soloalbum ist nicht nur in Nashville aufgenommen, sondern klingt auch so. Der Countrytouch tut ihm dabei positiv gut, denn natürlich ist das immer noch alternativ und somit gehaltvoll genug, um nicht kitschig zu klingen. Die schönsten Songs der Platte sind die, mit der Backgroundpräsenz, der schwedischen Sängerinnen von FIRST AID KIT. Dies war auch (fast) einmalig in diesem Jahr in Haldern zu sehen. Ich lag verletzt auf dem Sofa, sah den Livestream und konnte nicht fassen wie gut dieser Auftritt war.

David Carbonara – Mad Men: On The Rocks

Referenzsong: Pacific Coast Highway

Wiedermal wenig Orchestrale Musik in meinen Wiedergabelisten des Jahres 2014. Und auch leider zu wenig, Vinylerrungenschaften, im Jazzbereich. Einen Hybrid stellt der Soundtrack der Serie dar. Nach dem sich die Agentur, auch regional, an die Ost- und Westküste verteilt hat, gab es auch neue künstlerische Ansätze. Der Verve, die Mode und die Leichtigkeit Kaliforniens macht sich breit. Auch musikalisch.

Carbonara’s Score ist easy, leichtfüßig, ironisch und passt zu jedem Ausflug mit einem Cabrio oder zur Cocktailparty am Abend. Musik für 8 – 80 Jahre alte Menschen, mit tiefstem Hintergrund der grandiosen Serie.

Nicki Minaj – The Pinkprint / Beyoncé - BEYONCÉ

Referenzsong: Get On Your Knees / Partition

Ohne Zweifel, zwei aufregende Frauen. Die aber zudem auch etwas zu sagen haben und nebenbei produktions- und Arrangements-Technisch Maßstäbe setzen.

Mit langweiliger Chartmusik hat das schon lange nichts mehr zu tun. Es ist musikalische Avantgarde die dort aus den amerikanischen Studios erschallt. Tiefere Bässe, aufregendere Breaks und innovative Ideen werden auf diesen beiden Platten mehr geschneidert, als auf jedem noch angesagten Elektroalbum von irgendwelchen pickeligen Midi-Vasallen.

Aber! Man muss es mögen! Zweifelsohne! Aber! Manchmal muss man sich auch von seinen Hörgewohnheiten trennen, um zu verstehen…

Todd Terje – It’s Album Time

Referenzsong: Delorean Dynamite

Terje ist der große unbekannte europäische Strippenzieher. Franz Ferdinand, Robbie Williams, Hot Chip, alle wollen mit ihm arbeiten. Auffällig ist sofort das Cover von Brian Ferry’s „Johnny and Mary“, welches extrem elegant daher kommt.

Ein MUST HAVE unter jedem Weihnachtsbaum, für jeden der sich noch wundern kann!

In diesem Sinne!

Alan Lomax

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