Her - Spike Jonze
Ein Film, der dem Zuschauer viele Interpretationsmöglichkeiten lässt. Nicht, dass er keine durchgehende Geschichte zu erzählen hätte, aber die Subkontexte sind sehr vielfältig. Nachhaltig ist 'Her' aber v.a. deswegen, weil er ein Science-Fiction Film ist und einer, der sich wahrhaftig Gedanken macht um die Zukunft und wie die Bezeichnung des Genre es vorgibt mit den Mitteln der Wissenschaft und der Fiktion. Auf diesen Ebenen beeindruckt der Film am allermeisten.
Spike Jonze, der hier zeitgleich als Regisseur und Drehbuchautor fungiert, macht sich Gedanken um die Kommunikation, die zwischenmenschliche und die mit der künstlichen Intelligenz. Sein Film wird vom Verleiher angepriesen als romantische Liebesgeschichte, was aus Gründen der Vermarktung notwendig ist, aber es geht in dem Film gar nicht so sehr um die Beziehung eines Menschen (Joaquín Phoenix verliebt sich in eine Computerstimme) zu einem Computer-Programm, sondern um die Entwicklung der Kommunikation in der Zukunft im Allgmeinen und das vor dem Hintergrund des Einzelnen in einer hochtechnisierten und durchdesignten urbanen Umgebung.
Das wird ein ums andere Mal, eigentlich fast durchgehend, visuell demonstriert. Die Einbindung des Menschen in diese Design-Welt voller Licht, Architektur und Technik wird vom Kameramann Hoyte van Hoytema atemberaubend eingefangen und Los Angeles (Shanghai stand auch Pate) wurde zuletzt in dieser Schönheit in den Filmen eines Michael Mann porträtiert. Jonze und sein Kameramann stellen die Stadt, die Archiktektur aber keineswegs kalt und feindlich dar, sondern fangen sie mit warmen Farben ein und nutzen eine Trick, den George Lucas einst erfand: used future. Nostalgie meets the future, unweigerlich v.a. zu erkennen an der Kleidung der Menschen. Retro is the new future.
Faszinierend, wie Kommunikation gelingt und v.a. misslingt. Das ist das allerspannendste an diesem Film. Bereits jetzt starren wir alle den ganzen Tag auf Bildschirme (kognitiv und emotional!) und vergessen uns dabei miteinander zu unterhalten. Ich bin viel mit der Bahn unterwegs und das was Jonze in seinem Film zeigt, ist bereits jetzt ein Teil der Realität: Menschen stehen an den Bahnhöfen und scrollen unentwegt auf ihren Smartphones herum. Kaum, dass sie das Abteil besteigen und sitzen, geht der Griff zum Smartphone oder Notebook. Die Weiterentwicklung, bzw. eine Vision dessen, wie es in der Zukunft sein könnte, zeigt Jonze in 'Her' auf humorvoll-satirische Weise.
Warum also in Zukunft nicht mit seinem Computer kommunizieren? "Siri" macht es ja bereits vor. Beeindruckend auch die Frage, ob in der Zukunft zwischenmenschliche Kommunikation überhaupt notwendig sein wird, wenn ein Programm viel besser in der Lage sein wird uns zu verstehen, in dem es sich stetig weiter entwickelt und verändert und nicht stehen bleibt. Eine der spannendsten Fragen der Zukunft, der sich 'Her' ebenfalls stellt.
Joaquín (Wakeen ausgesprochen) Phoenix, liefert eine phantastische 'One Man Show', einzig die Frage, warum der Porno-Balken von Nöten war, schmälert ein wenig den Eindruck. Man sollte den Film im Original sehen um die rauchig-sexy Stimme von Scarlett Johannsson geniessen zu können. Trotzdem das Gegenüber von Phoenix nie zu sehen ist und wir permanent einen Schauspieler sehen der redet, trotzdem ist der Film nie anstrengend oder langweilig, vieles spielt sich (sic!) im Kopf des Betrachters ab.
Die Bilder werden untermalt und unterstützt von Arcade Fire, Owen Pallet und einem Song von Karen O, bezaubernd und beeindruckend.
'Her' von Spike Jonze ist einer der besten und originellsten Science-Fiction Filme der letzten Jahre, visuell atemberaubend schön und sehr romantisch, aber auch melancholisch und hintergründig, mit einem Ausblick in die Zukunft, die so fern gar nicht erscheint ... .
Yours operating System,
Rick Deckard